Christchurch

‚Quake City‘ ist der passende Titel für die größte Stadt der Südinsel, die immer wieder von Erdbeben erschüttert und mehrmals schwer beschädigt wurde. Im September 2010 morgens früh um halb fünf bebte die Erde 40 Sekunden lang mit der Stärke 7.1. Schäden an Gebäuden, Straßen, Häfen und Versorgungsbahnen. Doch keine Toten. Das Epizentrum lag 40 km entfernt.

Am 22. Februar 2011 mittags kurz vor eins – die Stadt war voller Menschen an diesem Sommertag  – bebte Christchurch wieder. 24 Sekunden nur, aber das Zentrum lag in einem der östlichen Vororte und nur 5000 m tief. 185 Menschen aus 20 Nationen starben. An sie erinnert diese Installation von 185 verschiedenen weißen Stühlen mit roten Röschen.

Die Zerstörungen ähneln denen nach einem Bombenangriff. Das Zentrum der Stadt mit vielen historischen Gebäuden ist unwiderruflich verloren. Der Turm der Christ Church Cathedral liegt flach. Eine riesige Bresche gibt den Blick frei in das zerrissene Innere der Kirche, wie in einen aufgeschnittenen Körper.

Die beiden Glockentürme der katholischen „Cathedral of the Blessed Sacrament‘ sind weggebrochen und die zentrale Kuppe ist zusammengefallen.

In den sieben Jahren ist inzwischen viel wieder aufgebaut und Neues errichtet worden. Dennoch hab ich noch den Eindruck durch eine vielfältige Baustelle zu fahren. Krähne und Bauzäune bestimmen das Bild.

An mehreren Straßen und Brücken wird auch sonntags gearbeitet. In jeder Straße Baulücken, oft als Parkplatz genutzt.

An fast allen brachliegenden Mauern und Giebeln sogenannte ‚gab filler‘, die mit bunten Farben und kreativen Motiven die Lücken verschönern, bis die Neubauten stehen.

Städteplaner und Bauexperten rechnen damit, dass der komplette Wiederaufbau Christchurchs eine Generation dauern wird. Während unmittelbar nach dem Beben in einer mitreißenden Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft Unglaubliches geschafft wurde – 10.000 Studenten konnten über soziale Medien zum Aufräumen gefunden werden – , gibt es inzwischen immer wieder hemmende Auseinandersetzungen um die Frage, was und wie das neue Christchurch aussehen soll.

Das Stadtbild ist noch zerfahren. Die vielen Leerstellen stören. Aber gerade das Nebeneinander von alten Holzvillen und neuen Glas-, Beton- und Stahlpalästen, die provisorisch wirkenden Ensembles von Container-Cafés im Garten eines neugotischem Colleges oder der Kontrast einer schicken privaten Vorschul-Einrichtung neben dem schrulligen Backpacker-Hostel vermitteln unternehmerische Energie und bürgerliche Gelassenheit. Eine gute Mischung für Christchurchs Zukunft, denke ich.

Christchurch empfinde ich lebensfroh. Der ein oder andere wird hier sicherlich auch daran denken, wie rasch in dieser Stadt Neues und Altes wieder am Boden liegen kann. Aber diese Sorge bestimmt nicht den Puls der Stadt.

Übrigens hab ich am Mittwoch Nachmittag Oli wieder zufällig getroffen. Wir haben zusammen zu Abend gegessen, zum Abschied einige Biere getrunken und über so manch komische Begebenheit der Reise gelacht. Sein Rad nimmt er jetzt doch mit nach London. Neuseeland wird nicht seine einzige Radreise bleiben. Und meine letzte auch nicht.