Rennrad fahren & Frauen

Pippo schwor: Keine Frauen mehr. Nicht im Mai, nicht im Juni, nicht im Juli, nicht im August, nicht im September, nicht in den ersten beiden Wochen vom Oktober. Erst nach der Weltmeisterschaft im Radrennen werde ich wieder meine Fühler nach ihnen ausstrecken.

pozzato_640_getty_1854763372

Also ging Pippo Pozzato, ein wirklich gutaussehender italienischer Radprofi, vor der WM 2010 ein halbes Jahr ohne Sex durchs Leben. Er war heilig davon überzeugt, dadurch Weltmeister werden zu können. Als ob ein Regenbogen auf dich wartet, wenn du sechs Monate jeden Morgen einsam, frustriert und schlecht gelaunt aufwachst.

Niemand weiß genau, wer ihm diese Idee eingeredet hat. Aber er ist längst nicht der einzige Radrennfahrer, der glaubt, dass Frauen schlecht sind für ihre Beine. Roger de Vlaeminck – der dreimal bei Mailand-San Remo siegte und gleich viermal Paris –Roubaix  gewann, steckte nach eigenem Bekenntnis vor den großen Rennen ein stabiles Holzbrett in die Ritze des Ehedoppelbettes, sodass seine Frau und er sich nachts nicht berühren konnten. Peter Post, der erfolgreiche Mannschaftsführer des Raleigh-Teams um Didi Thurau, untersagte in den 60er und 70er Jahren Frauen den Zugang zu den Trainingslagern und Hotels seiner Mannschaft – keine Ehefrau, keine Freundin, keine Journalistin nicht einmal weibliche Physiotherapeuten hatten Zutritt. Stattdessen nur zupackende Masseure mit Holzhacker-Händen unter denen die jungen Männer mehr auf den Massageliegen litten als im Rennen.

„Keine Weiber am Tag oder der Nacht vor dem Rennen“ war eine der wichtigsten Verhaltensregeln, die niederländische und belgische Radrenn-Trainer jahrzehntelang  ihren Schülern einbläuten, wobei sie endlos referierten über den Erhalt von Körperflüssigkeiten am Vortag des Wettkampfs. Keine Weiber, denn Frauen und Fahrradfahren, dass passte nicht zusammen. Das war wie Hering mit Schokoladenstreusel oder wie Pinguine in der Sahara. Frauen verführen Radrenner, bringen sie auf die dunkle Seite der Macht, wo sich das Sonnensystem nicht mehr nur um Trainingspläne, Wattzahlen, Carbon-Räder und Körperfettwerte dreht. Luder sind sie; hinterlistig schmunzelnd und ohne jede Spur von Reue torpedieren sie die Radrennkarrieren ihrer braven Männer.

Du musst wahrscheinlich männlich sein, Radrennfahrer und Kenntnisse aus der Steinzeit der Sportmedizin vertreten, um das begreifen zu können. In anderen Sportarten lacht man über diesen unemanzipierten und wissenschaftlich nicht fundierten Unsinn. Aber auch heute gibt’s noch zahlreiche Mannschaftsführer, Manager, Trainer und Pfleger im Radsport, die den jungen Fahrern immer wieder einreden, Frauen seien eine Karriere-Gefahr und Sex vor dem Rennen eine Todsünde.

In letzter Zeit wurden genau zu dieser Frage wissenschaftliche Untersuchungen angestellt. Das Resultat: Sex vor dem Wettkampf hat keinen Einfluss auf die Leistung der Fahrer. Für weibliche Radfahrerinnen hat Sex sogar eine – wenn auch minimale – leistungssteigernde Wirkung!  Untersuchungen zur Leistungsentwicklung  bei Rennradfahrern nach langandauernder sexueller Enthaltsamkeit wurden nicht angestellt. Die sind auch überflüssig: Unglückliche, frustrierte Sportler, denen Zärtlichkeit und Zuwendung fehlen, können nicht so gute Leistungen erbringen wie Sportler, die entspannt ihre Sexualität ausleben können und sich wohlfühlen.

Mit den armen Rennradfahrern, die glauben, dass sie schneller fahren, wenn sie ihre Frauen nicht anfassen, kann man nur Mitleid haben Es ist fast unnötig zu berichten, das Pippo Pozzato nicht Weltmeister wurde 2010. Nach sechs Monaten ohne Sex wurde er Vierter. Kam nicht mal aufs Podium. Nichts für Pippo! Als ob er noch nicht frustriert genug gewesen wäre!

Liebe Radsport-Freunde, welche Erkenntnisse bringt die Geschichte uns Normalos?

Ihr Radsportlerinnen wisst jetzt, ihr könnt nur schneller und besser werden, wenn ihr euer Liebesleben voll auslebt und genießt. Ihr Männer könnt auch nichts falsch machen. Allerdings wenn ihr nach einem stressigen Arbeitstag oder einem langen Kneipenbesuch den Verführungen eurer attraktiven Partnerinnen mal doch ein wenig lustlos ins Bett folgt und ihren Verlockungen nicht unmittelbar bereitwillig erliegt – bei eurer Fitness und der erotischen Ausstrahlung eurer Frauen kommt das wirklich höchst selten vor – wird eure Ausrede „Ich fahr morgen eine schwere Tour mit dem Rennrad, da ist Sex schädlich! “ nicht mehr ziehen. Eure klugen Damen werden nur zärtlich in euer Ohr flüstern: „Ja, ich weiß, Pippo!“

Einzig die Radfahrer, die wie ich alleine leben, einsam aufs Rad und frustriert wieder absteigen, trifft diese Geschichte hart, denn sie wissen: Mein Schicksal ist Pippo.