AUF DREHEN

Mostar will ich sehen, bevor ich nach Dubrovnik komme. Deshalb drehe ich in Omis ins tal der Cetina – einem beliebten rafting fluss – ab. Ab? Das ist völlig falsch. „Auf“drehen müsste es heißen. Die straße bleibt nämlich nicht im flusstal, sondern steigt kilometer lang, zum glück nicht zu steil, auf über 700 m an, um dann wieder bis zum startpunkt der rafting boote abwärts zu führen. 

Auf diesen 22 km bewege ich mich in den bergen Dalmatiens. Hier sieht es so fast so aus, wie in den Karl-May-filmen, die an den Plitvitzer seen in den 70er jahren gedreht wurden: grauer fels, hellgüne kiefer, dunkle buche, der grau-grüne fluss, ab und zu die weiß schäumenden wasserfälle.

Ganz im gegensatz zur küstenstraße fahren hier nur die transporter mit den schlauchbooten bzw. den ruderern hin und her. An einer gabelung, an der ich nicht weiß, ob ich rechts oder links „aufdrehen“ soll, – wobei die rechte straße mir viel unangenehmer wäre, weil sie mächtig steil nach oben führt- frage ich eine einsam vor ihrer kate sitzende, schwarz gekleidete frau mit kopftuch. Sie zeigt zum glück nach links. Langsam steht sie dabei auf, kommt zu mir und fängt an zu sprechen. Anscheinend  hat sie den tod ihres mannes vor vier jahren noch nicht überwunden, wie sie mir weinend verständlich macht. Sie zeigt mir den dünnen ringfinger ihrer rechten hand. Den ehering scheint sie verloren oder abgelegt zu haben. Vielleicht mit ins grab des mannes? Dann erzählt sie mir etwas, das ich überhaupt nicht verstehe. Dabei faltet sie ihre hände zum gebet. Sie zupft die altersfleckige,  lappige haut auf ihren unterarmen hoch. Stark scheint sie abgenommen zu haben. Ich kann ihr nichts sagen, sie nicht trösten. Hilflos komme ich mir vor.
Bedauernd zucke ich nur mit den achseln und wundere mich, wie natürlich sie es findet, einem fremden das so zu mitzuteilen. Aber sie wirkt überhaupt nicht  auf- oder gar überdreht. Was erwartet sie? Sie bettelt nicht, scheint auch keine wirtschaftliche not zu leiden. Ihre augen voller tränen wirken nur traurig. Als sie mir schließlich nochmal zeigt, dass ich mich links halten muss, wirkt sie unzufrieden. Habe ich sie überhaupt richtig verstanden? 

An der nationalstraße 39 muss ich wieder „aufdrehen“ richtung Imotzki. Noch 35 km auf und ab. Die abfahrt von Dusice nach Privali und der anstieg in den ortskern Imotzkis haben es besonders in sich. In der abfahrt erreiche ich trotz quietschenden bremsen 70 km/h. Im schlussanstieg noch 7 km/h.  Imotzki ist bekannt wegen der beiden seen in ortsnähe: der blaue und der rote see. Beide gehören zu den tiefsten seen europas. Von beiden engen felsenkratern bin ich beeindruckt. Vor allem als ich im blauen see tief unter mir einen schwimmer entdecke.
Der rote see ist noch enger, scheint dadurch noch tiefer. Aber auch die rote färbung der ihn umgebenden felsen lässt die türkisfarbene wasserfläche noch unerreichbarer scheinen.