AUF GEGANGEN

Nuweiba, 26 – 11 – 08

240 bergige km mit dem rad für einen sonnen aufgang? Ja, das lohnt sich! Sofern die morgendämmerung spektakulär und an einem besonderen ort mit zu erleben ist, z.B. auf dem 2285 m hohen Mount Sinai.

Die Araber nennen ihn Gebel Musa. den berg Moses. Angeblich soll der prophet auf diesem gipfel die gesetzestafeln mit den 10 geboten empfangen haben. Während bibelforscher hierüber heftig streiten, kraxeln täglich hunderte pilger auf den mosesberg. Die meisten in der nacht, um dieses naturschauspiel im frommen gebet zu bewundern. Andacht und stille ist aber bei dem andrang kaum zu erwarten.

Mir scheint dieses erlebnis und die damit zu verbindende besichtigung des Katharinen-Klosters – eines der ältesten christlichen klöster überhaupt – so reizvoll, dass ich mich mit dem rad aufmache. Mit nur einer tasche gepäck. Von Nuweiba aus, wohin ich am nächsten tag wieder zurück kommen will. Einen anderen rückweg gibt’s nicht – außer man fährt auf den westsinai zum Suezkanal weiter.

Nach angaben deutscher pilger liegt St. Katherin am fuß des berg Sinai fast 1500 m hoch. Also muss ich ganz schön klettern, vor allem auf den ersten 21 km, die tatsächlich ununterbrochen ansteigen. Dann wird’s wellig. Die letzten 10 km sind sogar flach.

Ich bin früh gestartet. Acht stunden brauche ich aber bis zum kloster inkl. pausen. Es ist kurz nach vier am samstag nachmittag, als ich vor verschlossener pforte stehe. Sonntags wollen die wenigen verbliebenen orthodoxen mönche auch nicht gestört werden. Also kein dornbusch, der gebrannt haben soll, keine pergament-schriftrollen aus dem 5. Jh n. C., keine einmalige ikonen-sammlung. Mir bleibt nur der berg.

Um 2.00 uhr nachts klopft der beduinen-bergführer an meine hüttentür. Zwei stunden wandern wir zu dritt – der führer, Matthia, ein junger schweizer ud ich – bei sternenklarer nacht und zunehmendem mond einmal um den berg herum. Fast ohne ein wort gelangen wir so unter seinen gipfel.

Ich sehe nicht viel. Aber gefährlich rutschig ist nur manchmal der lose sand auf den felsenstufen. Noch auf der nicht vom mond beschienen westseite des berges hören wir – zunächst weit entfernt, dann immer näher – ein geheul, als ob ein starker wind aufkäme. Matthia will es nicht glauben, aber tatsächlich sind es hunde, die hier in dem tal heulen. Mit steinen bewaffnen wir uns auf anraten des führers. Für den fall, dass uns ein tier zu nahe kommt. Aber als der beduine selbst mehrere brocken in die richtung des geheuls schleudert, haben wir nichts mehr zu befürchten.

Plötzlich sind kamele auf dem steinigen pfad vor uns. Eine koreanische reisegruppe – sicherlich 15 männer und frauen – reiten alle nach oben. Die tiere sind überraschend trittsicher. Aber langsamer als wir. Bis zur ersten rast an einer

hütte etwa 300 m unterhalb des gipfels überholen wir sie. Dennoch wird’s beim tee ziemlich laut, als die asiatischen touristen alle von ihren reittieren klettern und einkehren.

Noch 700 stufen meint der führer, dann kämen wir zur zweiten hütte gleich unterhalb des gipfels. Dort gibt’s wieder heiße getränke und decken für die wanderer, die jetzt schon frösteln oder nachher auf dem gipfel nicht frieren wollen.

Mein zwiebel-prinzip hält mich schön warm. Aus meiner umhängetasche kann ich hier die letzte windjacke überziehen, so dass mir überhaupt nicht kalt ist.

Dennoch warten wir in der hütte bis etwa 5.40 uhr, ehe wir die letzten 50 höhenmeter angehen. An der gipfelkirche warten schon sicherlich 100 menschen: eine fast 40köpfige gruppe Mexikaner aus Los Angeles, 20 polnische pilger, Deutsche, Franzosen, Israelis. Rechtzeitig fallen auch die Koreaner noch ein.

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Zuerst wird der horizont zur gold-gelben linie. Dann wird der streifen breiter, orange-gelb und leuchtender. Als dann kurz nach sechs das erste leuchtende sonnen-segment über den blaugrauen bergketten hervor lugt, klicken alle fotoapparate. Rasch wird der feuerball größer und sonnen-gelb. Die ganze gipfelszenerie ist in goldenes licht getaucht.

Inzwischen stimmt ein polnischer reisebegleiter ein lied an, das seine gruppe komplett mit singt. Alle anderen sind still geworden. Danach erklingt ein spanisches lied. Viele Mexikanerinnen mit hoch erhobenen oder weit ausgebreiteten armen danken für dieses erlebnis. Ergreifend zu sehen, wie manche vor glück weinen. Schließlich singen auch die Koreaner ein lied mit überraschend abendländisch klingender melodie. Schade, dass die ökumene nicht zum gemeinsamen singen reicht. Die Polen können aber noch mehr lieder.

Nach dem gesang kommt bewegung in die pilger. Jeder sucht ein noch besseren platz zum fotograferen. Viele lassen sich auch selbst vor der sonne oder in der sonne ablichten.

Die gehbehinderten und älteren pilger, die von beduinen an der hand geleitet werden oder mit stöcken gehen, nehmen den abstieg in angriff.

Matthia will erst ganz zum schluss aufbrechen. Der beduine will aber anscheinend rasch nach hause. Er schlägt vor den kurzen steileren rückweg über die 3000 stufen zu nehmen. Wir sind einverstanden.

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Bei tageslicht geht man schon viel sicherer. So kommen wir schon nach gut 1½ stunden am Katharinen-Kloster an.

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Zwei kilometer weiter in unserem camp können wir gleich frühstücken. Gegen halb zehn mache ich mich auf den rückweg. Als ich um halb fünf wieder in Nuweiba ankomme, bin ich trotz der langen abfahrt ziemlich kaputt. Aber auch froh, über diese wunderschöne zweitagestour.