Elisabeths Palast

St. Petersburg, 03.08. 2014

Es ist zwar nur eine Kopie, weil das Original nicht mehr aufzufinden ist, aber auch die wollen in den Sommermonaten täglich tausende sehen. Das Bernsteinzimmer. Ich auch. Dazu muss man in den Katharinen-Palast (so benannt von Zarin Elisabeth nach ihrer Mutter Katharina) Die Haupt-Attraktion darin ist das im 2. Weltkrieg geraubte und seitdem verschwundene Zimmer.

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Zarskoje Selo (Zarendorf) oder „Puschkin“ – wie es unter Stalin hieß – liegt etwa 25 km südöstlich von Petersburg. Vom Witebsker Bahnhof fährt alle halbeStunde ein Zug. 1,60 für mich, 80 Cent fürs Fahrrad, das ich deswegen mitnehme, weil es vom Bahnhof bis zum Palast noch 4 km sind. Um  11.00 Uhr bin ich da. Vor mir zwei gar nicht so lange Schlangen. Dann erklärt ein älterer hinkender Mann mir,wie das hier abläuft. An den Kassen hier draußen kauft man erst man die Tickets für den Schlosspark. Der ist allein schon einen Besuch wert. Ein exakt geschnittener und abgezirkelter französischer Schlossgarten, ein weitläufiger englischer Landschaftgarten, mehreren Teiche, ein größerer See mit Inseln und Marmorbrücke,  eine Pagodenbrücke, ein Pyramiden-Nachbau, ein Türkisches Bad in der Form einer  weißen Moschee inklusive Minarett: die Kaiserin hat Schmuckstücke aus aller Welt um ihr Schloss herum gestalten lassen.

 

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Das Schloss selbst war außen  mit hunderten vergoldeter Figuren und Ornamenten geschmückt, die heute – bis auf die goldenen Turmspitzen  – alle in einem hellen Braun gestrichen sind. Das nimmt natürlich viel vom ehemaligen äußeren Glanz. Dennoch beeindruckt die Anlage allein schon wegen ihrer Ausmaße und der Menge ihrer  Portale, Fenster und Säulen, mit dem ganzen Stuckwerk, den üppigen Verzierungen.

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Vor dem Palasteingang  wartet erst die Besucher-Schlange. 200 m ist sie bestimmt lang. Alle wollen Karten fürs Schloss. Wieder habe ich unglaubliches Glück. Der gehbehinderte Mann kommt wieder zu mir. Er spricht Englisch, seine Frau recht gut deutsch. Sie sind anscheinend jährlich auf der Frankfurter Buchmesse. Er trägt eine schmale Geschenktüte, in der eine Flasche Wein stecken könnte. Bei ihnen ist eine jüngere chinesische Frau mit einer etwa  13-14 jährigen Tochter. Das verlegene Mädchen wird von seiner Mutter ermuntert, mit mir Englisch zu reden. Der Herr aber bietet mir jetzt an, ihm zu folgen, das würde mir viel Zeit ersparen. Er bittet uns, zügig weiter zu gehen, nicht stehen zu bleiben, nicht zu fotografieren. Er kenne jemanden, der hätte jetzt  Dienst und könne uns an der Schlange vorbei in den Palst bringen, erzählt mir daraufhin seine Frau hinter ihrem Mann her hetzend. Eilig humpelt er an der ganzen Schlange vorbei. Wir vier einfach hinterher. Er geht am Haupteingang  vorbei auf einen bewachten Eingang für Personal und Sicherheitskräfte zu.  Dort winkt er einer jungen Frau. Sie begrüßen sich herzlich. Im Weitergehen gibt er ihr das Präsent. Sie schaut gar nicht rein. Mit einem der Polizisten scherzt sie kurz, wie ich dessen Lachen entnehme. Wir gehen eilig ins Gebäude. So kommen wir sozusagen von hinten an eine der Kassen in der Eingangshalle des Palastes, an denen die  lange Warteschlange endet. Der Mann drückt seiner Bekannten Scheine in die Hand und beruhigt mich: „Later, later“, als ich ihm Geld geben will. (Ich hab ja auch noch so viel.) Wir sollen kurz stehen bleiben. Um uns herum drängeln die zum Eingang, die schon Karten haben. Die Angestellte kommt nach wenigen Augenblicken mit fünf Karten zurück. Wir bedanken uns  ganz herzlich bei ihr. Sie wird vom russischen Ehepaar nochmals geherzt wie eine gute Freundin.

Der Mann nimmt von mir nur die 400 Rubel, die die Karte gekostet hat.  Kaffee oder Erfrischungsgetränke möchte ich spendieren. Er lehnt ab, mit der Begründung, es werde minütlich voller und er möchte nicht im schlimmsten Gedränge  landen. Ich kann ihm auch sonst nichts anbieten.  Ganz selbstzufrieden lächelnd winkt er ab. „ You’re welcom“.  Ich will ihm die Hand schütteln, da werden wir schon von einem übereifrigen Polizisten gebeten weiter zu gehen. Mir zeigt  seine Frau noch im Vorbeigehen, wo ich den im Preis enthaltenen Audioguide abholen kann. Als ich zu den Eingangsdrehkreuzen komme,  ist der Mann, der mir sicherlich mehr als eine Stunde Wartezeiterspart hat, schon durch. In dem Geschiebe durch den Palast, treffe ich ihn auch nicht wieder. Auch später im Park leider nicht.

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Zwanzig  Räume werden im Audioguide näher beschrieben. Einer goldiger, prunkvoller und wertvoller ausgestattet als der andere. Überall Kachelöfen, überall Kristallglas, überall Gold.

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Hier edles Mahagoni, dort weißer Marmor, hier chinesische Seidentapete, dort filigrane Intarsien. Schon recht früh – das Bernsteinzimmer.  Gar nicht so groß, aber unwirklich schön. Allein schon das Farbspiel des Bernsteins!  Von hellem Weißgold, über Goldgelb  zu tiefem Orange und noch dunklerem Braun. Alles Bernstein.  Bis auf die Gemälde im Raum sind die Wände komplett mit Bernstein verkleidet. Große geschnitzte Schmuckstücke, voluminöse zusammengesetzte Bilderrahmen, flächige Mosaike aufgeklebt und anschließend poliert. Alles Bernstein. Der Nachbau dieses im zweiten Weltkrieg geraubten und verschwundenen Zimmers, soll 11 Millionen Euro gekostet haben. Fotografieren natürlich verboten. Ich hab wenigstens die Hinweistafel vor der Tür geknipst.

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Die folgenden Räume fallen in ihrer Wirkung nicht ab. Der große (Ball-?)Saal mit dem riesigen Deckengemälde und dem einmaligen im hell-dunkel-Kontrast gestalteten Sternen-Parkett ist für mich der krönende Abschluss des Rundgangs.

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Der wundervolle Palast soll nur entstanden sein, weil  die lebenslustige schöne Zarin Elisabeth neben dem städtischen Winterpalast einen noch prachtvolleren Palast außerhalb der Stadt für ihre verschwenderischen Feste und ihre vielfältigen Amüsements  nutzen wollte.  Eine deutsche Besucherin hörte ich erzählen, dass man nach Elisabeths Tod im Keller des Palastes 8000 Kleider von ihr gefunden habe. Sie habe keins zweimal getragen, erzählt man sich.