FOTO GERECHT

Kaum in Albanien häufen sich die foto motive. Ich möchte außer dem schönen sonnenuntergang über der moschee so viel fotografieren: die alte frau in ihrem schwarzen kleid mit dem weißen kopftuch, das pferdegespann, das uralte moped,
das olle dreirädrige fahrrad mit ladefläche. Oft hab
ich die kamera nicht rechtzeitig im anschlag. Aber genau so oft trau ich mich einfach nicht. Wer weiß, wie diese aufmerksamkeit empfunden wird? Ist es nicht respektlos, wenn man schnappschüsse macht von einer kleinen verschrumpelten frau, die ein bündel trockenholz auf dem buckel nach hause schleppt? Kommt es den jugendlichen nicht herab lassend vor, wenn man auf dem tollen reiserad sitzend sie ablichtet zu zweit auf ihren zusammen geschusterten mopeds, auf ihren verrosteten, uralten rennrädern oder den viel zu kleinen kinderrädchen? Um ihre einwilligung fragen, kann ich die menschen aber nur, wenn ich schon kontakt zu ihnen habe. Armut zu fotografieren setzt beim fotografierenden achtung voraus und vertrauen beim fotografierten. Da bin ich sehr unsicher.

Von folgendem kunststück müsste ich ohnehin eine video-aufzeichnung machen: auf einem bremsenlosen auch ansonsten völlig ’nackten‘ bmx-rädchen klemmt ein vielleicht achtjähriger racker seinen nur mit plastiklatsche bekleideten fuß hinter dem sattel zwischen sattelstrebe und hinterrad so ein, dass er den reifen zum blockieren bringt und meterlange bremsspuren zeichnet im kiesigen sand des straßenrands. Wie seine zehen, mittelfußknochen und haut dieses manöver schadlos überstehen, ist mir schleierhaft, zeugt aber vom dosierungsvermögen des radakrobaten. Als er meinen bewunderenden blick verspürt, schubst er seine kleine schwester beiseite, die auch mal fahren möchte, und zeigt den stunt gleich nochmal.

Richtung Skhoder stadteinwärts fahren wir durch erbärmliche elendsviertel. Anscheinend leben auch in der albanischen gesellschaft als ärmste und unterste ‚kaste‘  Sinti und Roma wirklich auf der Straße, in leerstehenden herunter gekommenen schuppen oder gebäuderesten. Diese slums möchte ich nicht als erstes in Albanien fotografieren. Ich habe das gefühl, ich täte dem land unrecht.