GRENZ FRAGE

Hermes, der griechische gott mit den windsandalen, treibt mich rasch aus seinem land. Auf den letzten 35 km vor der türkischen grenze habe ich angenehmen rückenwind. Selbstverständlich wieder auf einer autobahn, exclusiv für mich. An diesem samstag nachmittag will am grenzübergang Kipi nur ein einsamer deutscher radler in die Türkei einreisen.

Über den grenzfluss Evros führt eine ca 200 m lange brücke. Witzig, dass das geländer auf griechischer seite hellblau-weiß, auf türkischer rot-weiß lackiert ist. Farblich weniger bunt sind die tarnanzüge und stahlhelme der jungen soldaten auf beiden seiten. Die türkischen sind eindeutig in der mehrzahl und auch schwerer bewaffnet.

Anscheinend herrscht an dieser grenze noch kalter krieg. Viermal wird mein ausweis kontrolliert, dreimal von den Türken. Beim ersten posten führt ein noch recht junger, feister polizist ein ausführliches interview mit mir: Warum wollen Sie in die Türkei? Wieso mit dem rad? Wieso alleine? Ist das nicht zu gefährlich und zu anstrengend? Sie sind noch nicht alt, aber auch nicht mehr jung. Haben Sie keine angst, dass Sie krank werden? Sie haben ein visum für Syrien. Was wollen Sie dort? Welchen beruf üben Sie in Deutschland aus? Und dann der höhepunkt der fragenstellerei: Sind Sie schwul?

Und meine antworten? Brav, ganz brav, schön angepasst, artig, möglichst keinen anstoß erregend. Feigling! Zumindest bei der schwulenfrage hätte ich zurück fragen müssen. Nichts da! Ich hab schiss, dass er mich nicht durch lässt. Oder mich eine zeitlang fest hält.

Doch ich muss mir erst noch seine predigt anhören: Ich soll vorsichtig sein im straßenverkehr. Aber auch sonst. In der Türkei gäbe es genau wie in Deutschland und überall schlechte menschen.

Ich nicke und bedanke mich. Wofür eigentlich? Auf meine frage, ob ich denn keinen einreisestempel bekäme, antwortet er, bei ihm nicht. Er führe nur das begrüßungsgespräch. Er fordert mich auf, weiter zu fahren.

200 m weiter zum zweiten posten. Der sagt nur: passaport. Schaut mich an, scannt die datenseite und haut mir seinen stempel in den pass.

150 m weiter zum dritten. Wieder ein großes leeres gebäude. Zwischen den einzelnen Posten und um das gesamte gelände hohe drahtzäune. Oben drüber abgesichert mit gerolltem stacheldraht. Der letzte polizist kontrolliert nur den stempel in meinem pass, schaut mich gar nicht an, sagt aber zum schluss wenigstens: Auf wiedersehen.

Erleichtert radle ich weiter, wieder allein. Und auf der entgegenkommenden fahrbahn? Schon seit der brücke stauen sich die lkw. Fünf erwarten kurz vor der brücke das freizeichen des griechischen zoll. Fünf andere werden vom letzten türkischen posten abgefertigt. Andere warten neben und unter der riesigen zollhalle. Vor der ersten kontrolle stauen sich mindestens 60 meist türkische und osteuropäische lastzüge. Die fahrer rauchen und unterhalten sich gelassen. Manche winken mir zu. Ein Slowene ruft: Hallo kollege!, und deutet auf mein schweres gepäck. Ich frage ihn, ob er hier immer so lange stehen muss. Er verneint und klärt mich auf: Heute streik in Griechenland.

Na, also, gar nicht so schlimm, die türkischen grenzkontrollen.