GROSSER BESUCH
Franzensbad, 11.05.09
„Großer“ nenne ich meinen freund Thomas aus Bonn. Ein riesenkerl – nicht nur körperlich. Auch wegen seiner vielen fähigkeiten. Seiner klarheit und zuverlässigkeit, seiner toleranz und wärme. Vor allem wegen seiner gelebten feinfühligkeit. Schon vor monaten schreibt er mir den weisen satz: „Ankommen ist keine frage des ortes.“ Ob es seine eigene einsicht ist oder er sie gelesen hat, weiß ich nicht.
Jedenfalls spürt er damals aus meinen tagebuchtexten, wie schwer mir die reise wird. In der sorge, ich könnte mich aus falschem ehrgeiz überfordern und das eigentliche ziel meiner auszeit aus den augen verlieren, formuliert er diesen spruch. Dafür bin ich ihm dankbar.
Obwohl wir gar nicht so oft kontakt haben, spürt er jetzt, dass ich – zwar noch unterwegs aber nicht mehr fern – mich freuen würde über ein treffen mit ihm. Er ist begeisterter motorrad fahrer. Seine gelbe 1100er BMW war aber in diesem frühjahr noch nicht auf der straße. Neues haus und beruflicher stress haben ihm noch keine zeit gelassen. Da kommt ihm die idee einer tour nach Tschechien. 1200 km – vorwiegend auf landstraßen – die fährt er gern. Die kann er gut schaffen in drei tagen. Hinter Darmstadt übernachtet er bei einem Freund. So haben wir den samstag ab 14.00 uhr für uns. Vor neun monaten auf dem gerüst an seinem neubau haben wir uns genau so bewegt umarmt wie jetzt in der zimmertür des hotels. Damals voller banger sorgen, jetzt voller dankbarer freude.
In Marienbad – einem dieser früher so mondänen böhmischen kurorte treffen wir uns. Wo auch kaiser Franz-Josef und könig Edward sich trafen, Wo Chopin und Kipling unter kolonaden lust wandelten, da probieren wir auch die gesundheitswasser aus den verschiedenen quellen.
Über die geschichte des bades erfahren wir ein wenig auf dem faltblatt der tourist-information. Wir spazieren durch blumengeschmückte parkanlagen und unter reich verzierten und verglasten jugendstilarkaden. Kurz hören wir einer lauten tanzband im kurkonzert zu. Saisoneröffnung wird nämlich heute hier gefeiert. Begleitet von musikkapellen ziehen pferdekutschen durch das kurviertel, in denen ehemalige stammgäste in historischen kostümen nachgestellt werden. Als uniformierter reiter zieht die figur des ersten tschechischen präsidenten besonders viele blicke auf sich.
In den weichgepolsterten sesseln des ‚Böhmischen Hofes‘ trinken wir kaffee und böhmisches bier. Abends essen wir entenbrust und steak im nachbar-restaurant. Wir haben uns so viel zu erzählen. Darum genehmigen wir uns noch zwei halbe bei ‚Charlie‘, einer urigen kneipe nahe unserem hotel ‚Villa St Georg‘.
100 jahre alt ist dieses ehemalige einfamilienheim eines reichen österreichers. Es liegt inmitten eines terrassenförmig gestuften parks an der „Anglicka“, der engländer-straße. Im bestimmt 3.50 m hohen zimmer mit zartgelber stuckdecke und blick durch zwei große doppelfenster auf den park schlafen wir wie die murmeltiere, nachdem wir bis tief in die nacht bequatscht haben, was während meiner reise in familie, politik und sport passiert und uns wichtig ist.
Bei gedämpfter musik frühstücken wir gemütlich vom reichlich und liebevoll gedeckten büffet. Wir erzählen noch ein wenig und beide finden wir: Unser böhmisches treffen war einfach klasse. Noch eins dieser gestellten abschlussfotos mit selbstauslöser. Noch eine herzliche umarmung. Mach’s gut! Pass auf dich auf! Bis bald! Thomas biegt links ab, ich rechts. Beide richtung Deutschland.