Intercity & Defekt

Südlich von Whangarei –  den Tipp habe ich von Peter – gibt’s eine ruhige Küstenstraße, die sich beschaulich durch  das hügelige Hinterland windet. Zunächst muss ich aber noch einige unangenehme km entlang der SH 1 hinter mich bringen. Der Wind vom Meer bläst mich einige Male fast auf die Fahrbahn, so dass ich zweimal schweren Holztransportern gefährlich nahe komme. Glücklich kann ich bei Waipu endlich abbiegen und die über die Küstenhügel wogende Straße genießen. Mehrmals öffnet sich der Blick aufs Meer und sandige Stranddabschnitte laden zum Verweilen ein.

Bei Langs Beach überlege ich zu bleiben. Doch das scheint ein Neubau-Dorf zu sein, in dem wohlhabende Auckländer aus ihren Traumvillen auf den Pazifik blicken. Keine Chance hier eine Billigunterkunft zu finden. In Mangawhei ist sogar der Campingplatz ausgebucht. 5 km weiter am Mangawhei Harbour kann ich auf einem „Motor Camp“  mein Zelt zwischen feststehenden Mobilhomes aufschlagen. Bin froh um ein bisschen Windschutz, denn es stürmt gegen Abend immer stärker. Zwei Damen, die mit mir in der Gemeinschaftsküche  was zu Essen machen, bedauern mich und erzählen, dass es hier jeden Sommer solche stürmischen Tage gäbe. In der Nacht hab ich wirklich Sorge, dass meine Heringe in dem weichen Sand der Sturmgewalt nicht Stand halten.

Auf der Küstenstraße weht es morgens nicht mehr so stark. Die Straße bleibt herrlich ruhig. „Rolling Hills“ um mich herum, immer noch Kuhherden, Blumen am Straßenrand und ferne Ausblicke trotz der grauen Wolkendecke. Durchs tiefer eingeschnittene Whangapiro Valley führt mich die Straße leider zur SH 1 zurück.

Bis Warkworth sind’s noch 11 km auf dem schmalen Seitenstreifen, der sich an mehreren Brückenverengungen auflöst, so dass ich dem nachfolgenden Verkehr schutzlos ausgeliefert bin. Das wird mir zu heiß. Warkworth erreiche ich um 14.00 Uhr. Im „i-site“ bestätigt mir eine Mitarbeiterin, das es südwärts jetzt nur noch die Autostraße gäbe. Alle zur Küste hin abgehenden Straßen führen zu schönen Stränden, aber dann ist Schluss. NO EXIT! Sie bucht mir einen Bus inkl. Radtransport für 26 $ bis Auckland. Das Gepäck nehm ich ab. Pedale muss ich abschrauben und den Lenker längs drehen. Der freundliche Fahrer lehnt es an eine der Kofferraum-Zwischenwände und bindet es fest. Um 18.00 Uhr stehe ich im Regen vor dem Auckland Lodge und bekomme ein Parterre-Zimmer mit Bad für 89 $. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Beim Blick aus dem Fenster am Freitag morgen ist klar, dass ich heute den nächsten Intercity-Bus nehme. Es gießt in Strömen. 8.30  check ich aus, 8.45 im Busbahnhof, 9.00 Uhr fährt der Bus nach Hamilton. Doch diesmal verneint der Fahrer mehrmals: „No way! No way!“ Er befürchtet keinen Platz im Kofferraum zu haben. Ich bettele und zeig ihm mein Ticket und einen 10 Dollar Schein, das übliche Trinkgeld für den Fahrer beim Radtransport. Ich soll warten bis zuletzt, dann darf ich mein Rad auf die Koffer der anderen Fahrgäste legen, muss aber vorher das Vorderrad ausbauen. „Wrap the chain“ verlangt er auch noch. Einen Putzlappen dreh ich provisorisch ums Schaltwerk. Das Vorderrad binde ich mit meinen Gummizügen so an der rechten Radseite an, dass die Kette abgedeckt ist. Rein damit und los.

Zwei Stunden später steig ich in Hamilton aus. Ich bin jetzt im Waikato District. Hier ist das Radfahren viel angenehmer, weil verkehrsruhigere Straßen, geringere Steigungen und der Radpfad am Waikato River auf mich warten. Der beginnt erst in Cambridge. Für die 30 km bis dahin beschreibt mir Celia – eine hagere Tourenbikerin, die ich auf ihrem Heimweg von der Schule zufällig treffe, eine noch ruhigere Strecke als die, die mein Navi gefunden hat. Vorher muss ich noch mit zu ihrem Haus, weil sie mich ihrem Mann Jim vorstellen möchte, der ist schon Rentner und pasdioniertet Liegeradler. Surlys Long Haul Tracker und Haus in dem gleichen Flieder, darauf ist sie stolz. Das darf ich gerne fotografieren.

Auf den letzten km vor Cambridge fühlt sich mein Hinterrad zunehmend weich an. Hab ich einen langsam schleichenden Platten? Oder ist ne Speiche gebrochen? In Cambridge schaue ich nach. Schock! Gleich vier Ösen im Nabenflansch auf der Kassettenseite sind ausgebrochen. Die Speichen baumeln unversehrt, aber völlig lose im Rad. Ich brauche eine neue Nabe und einen guten Radmechaniker. 

Als erstes finde ich Alex im „Spoken“. Er weiß sofort, dass er keine passende Nabe und auch keine 26″ Speichen da hat. Er fängt an zu telefonieren. Nach vielem Hinundher bietet er mir an, bis morgen ein neues 26″ Hinterrad aus Auckland kommen zu lassen, das ich für etwa 120 $ kaufen könnte, wenn es mir gefällt. Darauf gehe ich erst einmal ein.

Im zweiten Radladen treffe ich Rod. Der scheint mir der erfahrenere Monteur, hätte auch passende Speichen, aber keine Nabe für meine 36-Loch-Felge. Nur noch 32 Loch verkauft er. Er telefoniert und surft lange herum. Ohne Erfolg. Er kann mir eventuell bis nächsten Montag/Dienstag ein entsprechend gutes 32-Speichen Hinterrad bauen. Ein weiteres Problem ist anscheinend, dass ich mit Felgenbremsen fahre. Und 26-Zoll-Felgen sind auch rar. Sie führen nur noch 29er mit Naben für Scheibenbremsen. Seine letzte Idee ist, ich solle mir aus den USA oder aus Europa die entsprechende XT-Nabe schicken lassen. Dann hätte ich die Qualität, die ich bei dem Gepäck brauche.

Völlig down fahre ich gegen 16.00 Uhr zu einem Campingplatz, wo ich mein Zelt im Regen aufbaue. Die halbe Nacht grübele ich unter dem immer stärker werdenden Getrommel auf mein Zeltdach. Meine Entscheidung vor 10 Jahren für das damals in außer-europäischen Ländern gängige 26 Zoll-Rad wird jetzt zum Problem. 29 Zoll ist inzwischen Standard. Viele Möglichkeiten hab ich nicht. Eine Entscheidung verschieb ich erstmal auf morgen.

 

Rod ist um 10.00 nicht im Laden. Kollege Matt will bis 13.00 Uhr schauen, ob er eine 26 Zoll-Felge bekommen kann. Es ist Freitag. Bis Montag, eventuell Dienstag könnte das dauern.Ich soll nachmittags nochmal wiederkommen. Weiter zu Alex. Der hat das neue Hinterrad aus Auckland schon da. Eine einfache Shimano Nabe, 32 dicke Speichen und eine Weinmann Felge. Thorsten, der Radmechaniker meines Vertrauens, hat geschrieben: Achte auf solide Nabe und gute Hohlkammer-Felge. Wenn ich mit meinem Rad weiter will, muss ich dieses nehmen. Es gibt hier keine besseres. Ich zahle die 120 $ mit gemischten Gefühlen: zum einen zweifele ich, ob das Hinterrad die Belastung mit meinem Gewicht auf Dauer aushält. Zum anderen bin ich froh, dass ich morgen schon weiter kann. Zum dritten werde ich deutlich vorsichtiger und weniger holprige Strecken fahren müssen. Passend zu meiner Stimmung hat der Regen nicht nur aufgehört, die Sonne scheint sogar. Aber dunkle Wolken ziehen von Südwesten herüber.