IRRE IRANER

Marvdasht, 25. 02. 09

Nach 10 stündiger völlig ruhiger überfahrt sind die einreise formalitäten und die zollabfertigung  absolut unkompliziert. Unsere räder mit dem vielen gepäck werden überhaupt nicht kontrolliert. Wir können sogar bevorzugt an einem besonderen schalter passieren. Vom hafen in die stadt wären’s noch 15 km.

Wir finden ein herunter gekommenes hotel unweit des anlegers. Die eingangstür ist schon zu. Aber nach unserem klopfen bittet schließlich der junge gepflegt wirkende und gut englisch sprechende hotelbesitzer uns mit den rädern in die empfangshalle. Sein hotel wird renoviert, erklärt er uns. Die räume, die er noch vermietet, sind alle belegt. Aber im gebetsraum – zum wievielten mal schon auf dieser reise? – können wir uns auf unseren luftmatrazen hinlegen.

Unangenehm betroffen stimmt uns, was er uns dann noch über seine position hier im hafen, seine geschäfte mit Dubai und seine mitarbeiter erzählt. Neben dem hotel betreibt er ein internationales handelsgeschäft  mit autobatterien, eine autowerkstatt und einen lebensmittelladen. In anspielung auf unsere deutsch/österreichische herkunft sagt er, er sei hier etwas wie ein kleiner Hitler und die mitarbeiter seien seine esel. Dann versichert er uns, alle Iraner würden die Deutschen mögen und Hitler bewundern, für das was er für das deutsche volk getan hätte. Perser seien schließlich auch Arier und außerdem wären die Nazis ja so schlimm nicht…. Ich kann mir das nicht länger anhören und sage ihm, mich schlafen legen zu wollen.

Am morgen überrascht uns ein besonders freundlicher hotelmitarbeiter mit frischem brot und tee zum frühstück in den sesseln neben unseren rädern. Marmelade und käse aus unseren vorräten machen das erste frühstück im Iran komplett.

Da wir unsere restlichen Emirate-Dirhams noch in iranische Rial tauschen wollen, müssen wir – leider – auf den chef warten. Gegen neun taucht er ziemlich verschlafen auf. Seine verspätung erklärt er mit übermüdung. Arrogant mit den fingern schnippsend scheucht er den so zuvorkommenden älteren mitarbeiter herum. Angeberisch zeigt er uns sein 1000 US$ teures handy, bevor er unsere Dirhams zu einem akzeptablen kurs eintauscht. Zum abschied können wir ihm ein gemeinsames foto nicht abschlagen.

Noch am gleichen abend vor einem kleinen lebensmittelladen in einer gottverlassenen ortschaft sitzen, spielen und hängen eine ganze reihe junger männer und kinder herum. Überschwänglich begrüßt uns ein großmauliger junger kerl. Er hält mich an den schultern, bevor ich in den laden gehen kann. Laut spricht er mir den moslemischen gebetsruf vor. Ich soll ihn nachsprechen. Aber ich will mich nicht so vorführen lassen, riskiere aber auch keinen streit. Lächelnd tue ich so, als ob ich die wörter nicht aussprechen könnte. Er ist nicht zufrieden. Ich soll ihm sagen, woher ich komme. Sobald er Deutschland verstanden hat, hebt er die hand zum hitlergruß und gröhlt irgendwelche parolen, die ich nicht verstehe. Max und mir ist die situation sehr unangenehm. Wir fahren möglichst bald weiter.

Vor dem Vakilbazar in Shiraz begrüßt mich ein hagerer grauhaariger händler und fragt, welche nationalität ich habe. Als er ‚Aleman‘ hört, fragt er mich, aus welchem Deutschland ich käme. Als ich ihm lächelnd erkläre, es gäbe nur noch eins. Schüttelt er ungläubig den kopf und fragt mich nochmal – so als ob ich sein englisch nicht verstanden hätte – „Russian Germany or Nazi Germany?“ Ich kann nicht mehr lächeln. mein aufklärungsversuch scheitert aber kläglich, weil er einen freund begrüßt und das gespräch mit mir beendet.

Beim abendessen in einer art pizzaria in Lar fragt mich ein Student, der ab hochschule dieser stadt computeranimationen für film und fernsehen entwirft – ob ich Hitler auch so verurteilen würde, wie die zionistisch-amerikanische welt das seiner meinung nach zu unrecht tue. Hitler sei ein von seinen ideen  besessener mann gewesen. Längst nicht alle seine werke und ideen seien schlecht gewesen.

Mohammed – ein schon älerer philosophiestudent  – der seiner freundin und seiner familie gegenüber verschweigt, dass er täglich einige zigaretten raucht – fragt mich, ob ich Hegel, Kant, Wittgenstein, Nietzsche kenne. Ich muss ihm gestehen, dass ich von diesen philosophen meist nur noch den namen und höchstens noch den titel ihrer bekanntesten werke kenne. Nicht nur er hat sie alle im rahmen seines studiums gelesen, sondern auch sein freund Ali hat diese klassiker, aber in seinem soziologiestudiums auch Adorno und die Frankfurter Schule anscheinend mit großem interesse studiert. Von diesen Iranern bin ich beeindruckt.