Jakobspilger – nicht nur fromme Gläubige
Die masse der pilger waren und sind jedoch einfache leute, die früher an ihrer typischen kleidung und ausrüstung zu erkennen waren: umhang, hut, lederbeutel, kürbisflasche, stock und muschel. Auch heutzutage tragen fast alle pilger eine muschel und viele wanderer noch stock und kalebasse. Dennoch sind jakabspilger sehr verschieden.
Auf meiner fahrt traf ich eine 50jährige aussteigerin, die vor jahren schon ihre religionszugehörigkeit (wegen der steuern) und nun ihren verlagsjob, ehemann und familienklüngel aufgegeben hatte und auf der suche nach einer neuen identität war. In der gleichen herberge schlief über ihr ein 42jähriger spanischer ingenieur und gelegentlicher kirchgänger, dessen frau an krebs erkrankt war. Er erhoffte von Santiago hilfe in irgendeiner form und ging deshalb nur die letzten 150 kilometer des camino, weil er wieder möglichst bald – vor der nächsten chemotherapie – bei der mutter seiner beiden kinder sein wollte. Oder der unverheiratete altmodische, streng gläubige fränkische verwaltungsangestellte, der sich abends vertiefte in das wort gottes und tagsüber vollkommen neue und für ihn ungewohnte erfahrungen und bekanntschaften machte, die seinem selbstbewußtsein so gut taten, ohne ihm seine sympathische bescheidenheit zu nehmen. Sie alle gingen den gleichen weg, hörten die gleichen geschichten – niemand blieb unberührt von diesen erfahrungen.
Ganz offensichtlich erlebt der jakobsweg in den letzten 15 jahren einen starken aufschwung, der vielleicht mit den gesellschaftlichen veränderungen und dem dadurch bei vielen menschen entstandenen bedürfnis nach einer neuen orientierung zu erklären ist; ein aufschwung, mit dem stellenweise eine zunehmend störende kommerzialisierung und ein nicht wünschenswerter pilgerrummel verbunden ist.
Nach der offiziellen statistik des pilgerbüros in Santiago, in dem jeder pilger einen fragebogen ausfüllen muss, der dort seinen pilgerpass vorlegt, um in den besitz der ‚Compostela‘, der offiziellen pilgerurkunde zu kommen, führen auch heute noch über 90 % der pilger religiöse motive als hauptbeweggründe für ihre wallfahrt an.
Dieser seltsam ausgestattete pilger war mit seiner karre im schlepptau zu fuß von Locarno nach Compostela unterwegs.