KAPPADO K(N)IEN

Nachdem ich montag abend in Aksaray, wo ich um 20.30 uhr nach 260 km busfahrt ankomme, im hotel wieder einmal nach einer woche duschen und mich ausgiebig pflegen kann, suche ich am morgen einen guten arzt in der stadt. Eine apothekerin empfiehlt mir das private krankenhaus außerhalb der stadt. Dort gäbe es einen guten orthopäden. Auf ihn muss ich vier stunden warten, weil er operiert – heißt es. Er diagnostiziert arthritis, möchte aber noch ein blutbild und eine röntgenaufnahme machen, weil das kniegelenk entzündet sei. Da ich weiß, woher die schmerzen kommen, lehne ich diese untersuchungen ab und bitte ihn, mir mit medikamenten, massagen, verbänden oder ähnlichem zu helfen. Daraufhin verschreibt er mir Voltaren und zwei arten tabletten. Aber am wichtigsten seien mindestens drei tage ruhe, meint er. Genau das will ich auch: eine schonfrist für mein knie.

Elviras homöopathisch tätiger zahnarzt hat ihr den rat gegeben, ich solle ein kohlblatt – möglichst weißkohl – zur kühlung auf das knie legen. Das würde linderung verschaffen.

Der gemüsehändler auf dem markt in Aksaray pflückt mir sofort zwei große frische weißkohlblätter ab, als ich ihm per zeichensprache verdeutlichen kann, was ich möchte. Seine frau schaut ungläubig zu als ich vor ihren augen, die enge lange radhose hoch krempele. In der Türkei ist es völlig unschicklich, nackte beine zu zeigen. Ein blatt wickele ich um mein knie. Das hosenbein ziehe ich wieder drüber. Das andere blatt klemme ich unter den schnellbinder. Dann radele ich mit einem „tesekür“ davon. Die gemüsefrau steht immer noch an ihrer waage und wundert sich mit offenem mund über diesen komischen touristen.

Aksaray hat 200.000 einwohner eine 1000jährigen moschee, die zunächst als karawanserei genutzt wurde, ein rotes und ein schiefes minarett. letzteres steht fast so stark geneigt wie der schiefe turm von Pisa. Weitere attraktionen fehlen. So finde ich zeit, ruhe und eine kostenfreie Internetverbindung in einem café, um mein tagebuch und mein fotoalbum aufzufrischen und mein knie zu schonen.

Am mittwoch morgen ist mein knie bereits nicht mehr warm und fast schmerzfrei. Mittags meldet Markus sich schon vom Tuz Gölu, dem größten salzsee der Türkei. Er ist nur noch 80 km vor Aksaray, will aber gar nicht in die stadt rein, sondern schon vorher ins Perestrema-tal abbiegen. In Ihlara, einem der sehenswerten orte, wollen wir uns am abend treffen. Dort wollen wir evt. etwas länger bleiben, damit mein knie sich weiter erholen kann. Für mich sind das ’nur‘ 45 km. Hoffentlich sind sie nicht zu schwer für mein knie.

Ganz behutsam fahre ich um 16.00 uhr los. Bei leichtem tritt, schmerzt mein knie gar nicht mehr. Wenn’s bergauf geht,  versuche ich alle kraft ins linke bein zu legen und mit dem rechten keinen druck zu geben. Den rechten fuß nehme ich aus dem klickpedal, damit ich das knie noch weniger belaste.

Es rollt wirklich gut. Die strecke ist nicht schwer. Mein knie bleibt ganz ruhig. Aber es ist dunkel, als Markus in Selime an der straße auf mich wartet, weil er hier einen schönen campingplatz gefunden hat. Außerdem beeindrucken ihn die bizarren felsformationen, so dass er auch morgen bei tageslicht hier noch eine wanderung machen will. Mit ist das recht. Ich kann dann  wieder mein knie schonen.

Die zelte brauchen wir gar nicht aufzubauen. Wir sind neben einem israelischen pärchen die einzigen gäste des platzes. Der wirt lässt uns deshalb in einem gartenhaus schlafen. Am morgen frühstücken wir dann in einer der im fluss stehenden hütten, in denen normalerweise gäste des restaurants auf großen kissen sitzend essen oder café trinken. Die sonne wärmt uns die rücken. Das wasser gurgelt unter uns. Frösche quaken vom ufer. Vögel zwitschern über uns in den pappeln. Frisches brot, marmelade, käse und nescafè espresso! Ein frühstück aus 1001 und einem morgen!

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Danach besichtigen wir Selimes felsen-kathedrale. Uns überfällt ein fotografierkoller. All diese phantastischen weit-, durch- und einblicke, die sich hier vor uns auftun. Nach zwei stunden packen wir die kameras weg

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und fahren 15 km weiter nach Belisirma, dem nächsten ort im tal, wo wir neben felsenkirchen und -wohnungen ein noch weitgehend intaktes türkisches dorf vorfinden.

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Die wanderung durch das flusstal lasse ich Max alleine machen. Ich spaziere nur bis zu einem sonnigen platz am taleingang und lege dort mein bein hoch. Abends schlafen wir in einer dieser stelzenhütten im fluss und frühstücken am freitag morgen wieder wie die könige. Wir haben ein leben. Und mein knie ist auch ganz friedlich.

Dennoch ziehe ich vor dem start nach Göreme Markus‘ kniestrumpf an. Der stützt mein knie und hilft mir hoffentlich, die 85 schweren km gegen den wind schmerzfrei zu überstehen. Obwohl Markus fasst die ganze zeit im wind fährt und ich mit möglichst geringem kraftaufwand dahinter, werden die stiche im knie nach 60 km immer schlimmer. In Nevsehir will ich aufhören. Markus überredet mich, noch 6 km durchzuhalten. Tatsächlich werden es noch 17, bis wir abends spät im dunkeln unser quartier in Uchisar beziehen. Beim ‚Hotel 1001 Nacht‘ in einer unwirklichen felslandschaft mit  riesigen kegelförmigen gebilden, die besonders jerzt in der dunkelheit angestrahlt einem phantasiefilm entsprungen scheinen. Wir können uns gar nicht satt sehen und freuen uns schon auf die zwei tage, die wir hier in Göreme bleiben wollen.

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Kappadokien ist einfach unbeschreiblich. Göreme der höhepunkt. All diese kegel, die pilzköpfe, die penisfelsen. Darin höhlen, häuser restaurants, cafés, hotels, kirchen. Dazwischen das herbstliche bunt der bäume.  Zwei stunden sitzen wir oberhalb des tals auf einem aussichtspunkt in der warmen sonne und schauen uns die augen aus.

Zu allem überfluss finden wir dann noch einen idyllisch gelegenen ‚Panorama‘ campingplatz, oberhalb des ortes mit swimming pool. Einen gepflegteren  und saubereren haben wir auf unserer ganzen reise noch nicht angetroffen.

Die sonne wärmt so stark, dass wir samstag nachmittag in der badehose schön faul herumlungern. Über uns fahren die sightseeingballons. Unser türkeireise ist traumhaft. Und mein knie wird weiter geschont.

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Am sonntag fahren wir ohne gepäck spazieren durch die nebentäler. Wir fotografieren noch mal so viel, obwohl wir längst wissen, dass wir schon viel zu viele bilder gemacht haben. Kappadokien bietet so unendlich viele reizvolle motive.  Auch montag bleiben wir noch in Göreme, pflegen uns und unsere räder und lasssen es uns in der herrlichen sonne gut gehen. Max massiert und bandagiert mir noch einmal mein bein. Ob es die kommenden belastungen aushält ?