KOPF LOS
Bahariya, 15-12-2008
Morgens schauen wir uns in Farafra zuerst die arbeiten des ägypt. künstlers Badr an, der hier lebt und ein eigenes museum eingerichtet hat. Als sohn der wüste verarbeitet er nur hiesiges material und bildet auch nur motive aus seiner heimat ab.
Im museum bekommen wir ein paar postkarten, die wir rasch schreiben und zur post bringen. Mir wird heiß. Ich ziehe das radtrikot aus. Heute werde ich im t-shirt radeln. Portemonné und handy muss ich deshalb aus den trikottaschen umpacken in die lenkertasche.
Kurz vor elf kaufen wir nochmals beim bäcker ein. Dann geht’s los richtung ‚Weiße Wüste‘. Das schönste und eindruckvollste teilstück unserer wüstentour erwartet uns. Die 200 km wollen wir in zweieinhalb tagen radeln. Zweimal wollen wir in der wüste schlafen, einmal in der weißen. einmal in der schwarzen.
Nach 30 km tauchen schon die ersten wirklich schneeweißen felsformationen am straßenrand auf. Sie sind ganz unterschiedlich in ihrer anzahl, größe und form. Schildkröten, gesichter, häuser, kirchen, pilze – alles mögliche lässt sich entdecken.
Max marschiert tiefer in die wüste hinein zum fotografieren. Ich warte bei den rädern. Mein handy habe ich heut nacht wieder aufladen können im hotel. Nabakula hat nämlich leider schon auf dem Sinai den geist aufgegeben. Robert, der Elektriker meines vertrauens, baut gerade im eilverfahren ein Nachfolgemodell, damit Elvira es noch mitbringen kann in den Oman. Für die vorab-tests musste sogar noch Roberts vater mit dem rad extra km abstrampeln. Jetzt könnte ich mal anrufen, ob Nabakula II inzwischen fertig ist. (Für technik-interessierte folgt demnächst unter ‚Ausrüstung‘ eine beschreibung des verbesserten modells.) Am wochenende gilt auch in Ägypten das „Vodafone Reiseversprechen“, über das ich kostenlos mit einem anderen Vodafone-partner telefonieren kann.
In der lenkertasche finde ich das handy aber nicht. Ich räume sie komplett aus. Dann durchsuche ich alle meine taschen, obwohl ich manche heute noch gar nicht geöffnet habe. Mein handy ist weg. Ich gerate in panik. In meinem kopf geht’s drüber und drunter. Ich versuche mich zu erinnern, den ganzen tag zurück zu verfolgen, mache mir vorwürfe, überlege, was ich wo falsch gemacht habe. Sehe schwarz und hege hoffnungen auf die ehrlichkeit eines finders,
Wo kann es liegen? Bei der schildkröte? Da hab ich das rad mal hingelegt. An der post in Farafra? Da habe ich das handy zuletzt benutzt. Ich muss zurück. Oder kann ich mir die suche sparen? Habe ich sowieso keine chance es zu finden? Darf ich es unversucht lassen? Was könnte ich sonst machen? Hab ich noch ein altes handy zuhause? Soll ich mir hier ein günstiges kaufen?
Als Max wieder kommt, informiere ich ihn nur ganz kurz. Sein versuch mein handy in meinem gepäck zu orten, indem er meine nummer wählt, bestätigt nur, dass es irgendwo herum liegt. Die mailbox springt an.
Überhastet fahre ich los. Den wind im rücken radle ich, so schnell ich kann. Zum lieben gott und zum hl. Antonius bete ich mehrere vaterunser. Nach einer halben stunde bin ich an der schildkröte. Systematisch und vorsichtig taste ich barfuß unseren pausenplatz ab. In dem weißen sand würde ich das schwarze telefon leicht erkennen. Nichts.
Weiter zurück nach Farafra! In der Dämmerung komme ich an. Das postamt ist schon geschlossen. Vor der post suche ich alles gründlich ab. In einem nebengebäude treffe ich noch zwei bedienstete. Ich kann sie nicht überrreden, mir das amt aufzuschließen und mich im schalterraum nach einem handy zu suchen. Ich glaube, sie verstehen mich auch nicht richtig.
Die ‚tourist police‘ ist meine nächste anlaufstelle. Ein junger polizist, der mich versteht. telefoniert mit seinem vorgesetzten. Ich muss warten. Nach einer viertelstunde begleiten mich zwei ältere beamte wieder zum postamt. Doch die beiden postleute schließen auch jetzt nicht auf. Unverrichteter dinge kehren wir zur polizeidienststelle zurück.
Obwohl ich erkenne, wie gering meine chancen sind, das telefon zu finden, gebe ich mich nicht zufrieden. Den postler möchte ich treffen, der heute morgen am schalter dienst hatte. Wenn überhaupt, muss bei ihm das handy abgegeben worden sein.
Wieder muss ich warten. Der leiter der ‚tourist police‘ kommt gegen sieben. Sehr freundlich und gelassen erklärt er mir, dass er kaum eine möglichkeit sieht, mein mobiltelefon wieder zu finden.
Zuerst nimmt er ein protokoll auf. Besser gesagt, er bittet mich in englisch aufzuschreiben, wo ich heute morgen das handy zuletzt hatte, wo ich dann war und ab wann ich es vermisse. Er übersetzt meinen text ins arabische und schreibt ihn mit kugelschreiber in ein berichtsbuch.
Im dicken polizei-jeep fahren wir dann zur post. Dort warten die beiden ‚postler von der spätschicht‘, der schalterbedienstete vom vormittag und ein soldat, der morgens vor der post wachdienst hatte. Ich bin völlig überrascht. bedanke mich für die mühe und entschuldige mich für die umstände, die ich mache. Besonders deutlich erkläre ich, dass ich niemanden verdächtige, mein telefon an sich genommen zu haben. Dem schalterbeamten scheint ein stein vom herzen zu fallen. Mein handy ist aber nicht abgegeben worden. Niemand hat es gesehen. Alle verabschieden sich freundlich von mir.
Der polizei-‚hauptmann‘ bietet an, mir einen bericht für meine versicherung mitzugeben. Auf einem linierten papierbogen, schreibt er in seinem dienstzimmer den bericht fein säuberlich ab. Jetzt fehlt aber noch eine offizielle beglaubigung. Die touristenpolizei von Farafra verfügt aber nicht über einen stempel. Den müssen wir bei der verkehrspolizei aufs papier setzen lassen. Das dauert wieder, denn bei jedem seiner kollegen, muss der arme die ganze story wieder abspulen. Um halb zehn bringt er mich dann mit abgestempeltem zettel und den besten wünschen für meine weitere reise ins hotel, in dem ich auch gestern mit Markus übernachtet habe.
Jetzt erst komme ich zum nachdenken. Wie übereilt ich doch wieder reagiert habe! Kopflos war ich. Keinerlei absprachen habe ich getroffen mit Markus. Nur noch die telefonnummern habe ich, die ich auswendig kenne oder im pc abgespeichert habe. Markus‘ ägyptische nummer ist nicht dabei. Auf seinem österreichischen handy hat er schon seit tagen keinen empfang.
Erst muss ich jetzt mein handy sperren lassen. Der unverschämte hotelier lässt mich von seinem handy aus mit Elvira telefonieren, nachdem ich sein Vodafone-guthaben um 100 pfund (14 euro) aufgestockt habe. Er behauptet einfach, kleinere telefonkarten könnte ich hier nicht kaufen.
Dafür darf ich dann wohl zweimal anrufen und Elfi ruft mich auch unter seiner nummer zurück. Mit Johannes zusammen lässt sie meine alte sim-karte sperren, besorgt mir unter der gleichen nummer eine neue und auch das gleiche handy.
Welch ein glück, dass Elvira von zuhause aus so zuverlässig, kompetent und rasch besorgt, was mir fehlt und regelt, was ich verbockt habe. Dabei hat sie jetzt vor weihnachten und vor der Oman-reise bestimmt genug am hals.