MISTEER MISTEER

Tabriz, 12-03-2009

Über visa will ich eigentlich kein wort mehr verlieren. Am 15. märz läuft aber mein Iran visum ab. Von Esfahan über Teheran und Tabriz zur türkischen grenze sind über 1200 km. „Das geht sich nicht aus mi’m radl“, würde Max dazu sagen. Weil ich aber möglichst viel der seidenstraße radeln möchte, nehme ich doch noch mal den bus. Bis Qavzin, einer stadt an der seidenstraße, 100 km westlich von Teheran. So bleibt mir das radfahren in der hauptstadt erspart.

Qavzin hat eine riesige karawanserei, mit zwei großen innenhöfen. Auch sie ist – wie so viele karawansereien – völlig runter gekommen. Teilweise wird sie von teppichhändlern, obsthändlern, einem müller und kleinen handwerksbetrieben als lager- oder arbeitsraum genutzt.

Sie liegt nämlich in unmittelbarer nähe des bazars und der moschee. Der zentrale raum unter der kuppel und die davon abgehenden hallengänge sind metertief aufgegraben. Hier wird anscheinend gründlich saniert. Andere teile sind baufällig und ungenutzt.

Unzählbar oft höre ich auf meinem rundgang ‚hello mistéér‘ (Iraner betonen meist die zweite silbe). Immer wieder muss ich stehen bleiben, mich fotografieren lassen und erzählen, woher ich komme und was ich hier mache. Auf dem weg aus der stadt finde ich eine teestube und früstücke erstmal. Wieder gleich vier mal ‚hello mistéér‘ mit den üblichen fragen. Endlich bin ich raus aus dem innerstädtischen verkehrsgewühl am morgen.

Endlich radele ich auf der ‚echten‘ seidenstraße Teheran-Istanbul. Hier ist sie zweispurig, von vielen (TIR-)Lkw befahren und besonders am rand ziemlich holprig, so dass ich längst nicht durchgehend einen fahrbaren streifen finde. Doch ich bin so froh, diese straße endlich radeln zu können. Mir machen weder die lkw noch die schlaglöcher was aus. Bis Takesstan stört mein freund mich allerdings wieder. Ich muss nämlich zuerst etwa 30 km in südwestlicher richtung fahren. Er fegt aus süden über das auch hier offene land.

„Hello Sir!“ Am ersten kreisverkehr in Takestan hält ein netter älterer mann mich mit diesen worten an. Er habe mich im Bus von Teheran kommend gesehen und hier eine stunde auf mich gewartet. Er möchte mit mir mittagessen. Wenn das stimmt, kann ich ihm diese bitte nicht abschlagen. Schon mit den ersten sätzen erklärt er mir, wie sehr er es genießt, mit Europäern oder Amerikanern sprechen zu können. Er meint, um eins könnte ich bestimmt weiter, als er hört, dass ich Abhar vor der dunkelheit erreichen möchte. In einem einfachen restaurant bestellt er Abguscht und macht mir vor, wie ich das gericht in zwei gängen zu verspeisen habe.

In dem angeregten gespräch erfahre ich dann, dass er zwei Jahre in Tennessee gelebt hat und nun im ruhestand noch mal reisen möchte. Seine töchter studieren bzw. arbeiten als kardiologin in Esfahan. Sein sohn studiert/arbeitet seit drei monaten an der universität von Delft/NL. Wahrscheinlich wird er dort fünf jahre bleiben. Im eher nachdenklichen teil der unterhaltung erzählt er mir, dass er grenzen hasst. Nicht nur die zwischen ländern und nationen. Besonders die in den köpfen der menschen. Religionen, zumindest das, was religionsführer – nicht nur im Iran – daraus machen – hasst er auch. Er glaubt, dass nur 10% der Iraner wirklich regelmäßig beten. Aber selbst davon sei nur ein drittel religiös. Die anderen beten seiner meinung nach nur, weil sie müssen oder ihren vorteil davon haben. Wie schon so viele andere in den verschiedenen ländern bittet er mich, zu unterscheiden zwischen den menschen eines landes, der regierung und der medialen darstellung eines landes. Abschließend muss ich ihm versprechen, dass ich zuhause oder wo auch immer, den Iran und die iraner so schildere, wie ich sie erlebt habe.

Von Takestan drehe ich nach nordwesten ab und profitiere nun von dem südwind. Schon vor fünf erreiche ich Abhar. An einer stahlhandlung stoppt mich Amir mit seinem mistéér, mistéér und seinem impulsiven gewinke und gehampele. Ich muss lachen, kann nicht weiter fahren. Seinen handel, seinen geschäftsführer, seinen bissigen hund, seine mitarbeiter und schließlich seinen nachtwächter lerne ich kennen. Seinen pc – ziemlich veraltet und langsam – darf ich benutzen, als er fotos aus Deutschland sehen möchte. Von meinen bildern aus dem Iran ist er enttäuscht. Er meint, ich hätte vorwiegend einen schlechten Iran fotografiert. Erst als ich ihm bilder aus Shiraz und Esfahan zeige, ist er zufrieden. Am abendessen mit seiner familie komme ich vorbei, weil ich sage, ich wäre vegetarier und würde mir gerne selbst was kochen. Das akzeptiert er, wenn ich denn hier in seinem büro übernachte zusammen mit Hasan seiner security-wache. Das nehme ich gerne an.

Hasan ist schön älter und ein ganz lieber vorsichtiger mensch. Er staunt nicht schlecht, als er meinen kleinen gaskocher kennen lernt und sieht wie leistungstark der ist. Von meinen nudeln mit tomaten-käse-soße probiert er nichts. Auf einem ofen wärmt er sich sein kesselchen reis mit huhn.

Nur zwei problemchen habe ich an diesem abend. Erstens überheizt Hasan mit dem alten ölbetriebenen ofen den raum total, lüftet aber nicht. Zweitens muss ich auf dem weg zum klo in der äußeren ecke des hofes ziemlich nahe an dem bissigen hund vorbei. Der ist zwar angeleint, aber bellt derart zähnefletschend und tobt sich wild drehend, dass ich mich nur in möglichst großem abstand an die außenmauer gepresst über stahlstangen steigend vorbei traue.

Fließendes wasser oder ein waschbecken gibt’s nicht. Aber Hassan gießt draußen vor dem büro ganz behutsam aus dem großen wasserkessel einen sanften kalten strahl, unter dem ich mir zumindest den oberkörper waschen kann. Den rest wische ich dann halt auf der toilette mit feuchten tüchern – muss dazu aber wieder zweimal an dem furchtbaren köter vorbei.

Bevor am morgen die arbeiter kommen – der geschäftsführer bringt mir noch brot und ein gekochtes ei mit  – haben Hasan und ich schon gefrühstückt. Er hat tee gemacht und sein brot mit einer art feta gegessen. Ich meinen haferflockenbrei mit einer orange und danach noch meine brotreste mit streichkäse und marmelade. So wie er mir biete auch ich ihm von meinem frühstück an. Aber nicht mal meinen Nescafé versucht er.

Der chef lässt mich vor meiner abreise telefonisch grüßen. Ich bedanke mich ganz herzlich und warte nicht länger, denn ich will bis Zanjan kommen. Das sollen ca. 115 km sein. Der wind ist weiter auf meiner seite. Die straße bleibt flach, aber viel befahren. Die landschaft wirkt noch winterlich kahl. Nur ab und zu liegt ein leichter hellgrüner schimmer über einer weide oder einem feld.

An einer böschung entdecke ich einen nager, der mich ziemlich nahe ran lässt. Erdmännchen nenne ich ihn einfach mal, bin mir aber gar nicht sicher, ob er dieser spezies wirklich angehört.

 

Eine dame um die 50 aus Tabriz will im fahren aus ihrem kleinen Peugeot heraus wissen, was ich hier mache. Schließlich hält sie doch vor mir an und schenkt mir eine ungeöffnete dose mit leckerem gebäck. Sie gibt mir auch ihre telefonnummer für den fall, dass ich in Tabriz eine pause in ihrem haus einlegen möchte.

Am frühen nachmittag wage ich noch einen abstecher südwärts gegen den starken wind. In Sultaniye staune ich über die dritt höchste aus ziegelsteinen gemauerte kuppel auf unserer erde. Nur die kuppeln der kathedrale St. Maria del Fiore in Florenz und der Hagia Sofia in Istanbul sollen höher sein.

Schade, dass die bausubstanz des mausoleums schon so schlecht ist, dass das gebäude eingerüstet bleiben muss.

Auf zwei verschiedenen etagen kann man außen um das grabmal herum gehen. Von hier hat man einen tollen blick auf das nahe gebirge.

Zanjan ist bekannt für die herstellung guter messer.

Außer dem bazar und der Sejed moschee, die sowohl abends um sieben als auch morgens um neun verschlossen ist, gibt’s noch einen sehr gut restaurierten früheren wäsche-wasch-platz.

Allerdings sind mir die mit puppen nachgestellten waschfrauen etwas zu kitschig.

Sowohl abends als auch morgens klingt es auch in Zanjan imer wieder ‚hello mistéér‘. Dass ich weiter möchte oder nicht nochmal tee trinken mag, verstehen viele schon. Aber deswegen lassen sie mich doch nicht gleich los. Am abend am taxistand ist es ganz schlimm. Ich bin zu fuß unterwegs. Fast habe ich die befürchtung, dass sie sich in die haare kriegen, um mit mir reden zu können. Und natürlich kommt immer noch einer hinzu der noch besser englisch kann als die anderen.

In den städten grüßen auch immer wieder junge frauen, wenn auch leiser und schüchterner. Meist mit einem lächelnden kurzen „Hello!“ Iranische frauen wirken wesentlich selbstbewusster und offener als arabische. Das spürt man überall. Sie haben eine ganz andere körperhaltung, viel aufrechter und stolzer. Sie trauen sich neben ihren männern zu gehen und nicht hinter ihnen. Sie bestellen auch selbst im restaurant, diskutieren mit am tisch. Immer mehr iranische frauen verdienen ihr eigenes geld. Sie fotogrfieren selbst, aber sich fotografieren lassen von einem fremden Mann – das geht nicht

Viele iranische frauen finde ich ausgesprochen gut aussehend. Besonders viele große attraktive augen fallen mir auf. Wahrscheinlich weil ich frisur und figur oftt nur erahnen kann wegen der kopftücher und mäntel. Manchmal denke ich auch, sie belächeln mich alten mann mit meinem komischen helm, dem bunten trikot oder dem schweren gepäck. Doch ehe ich darüber weiter nachdenke, ruft schon wieder jemand: „Hello mistéér!“