Pfad-Finder

Salacgriva, 26. 07. 2014

Aus Großstädten mit dem Fahrrad wieder raus zu finden, ist mit dem GPS-Gerät einfach geworden. Ich gebe den außerhalb der Stadt ein, den ich als nächstes erreichen will und das Navi bringt mich sicher hin. Auch in Riga funktioniert das. Den Ort Carnikaya gebe ich ein, weil der R 10 da hindurch führt. Aber zwischen Carnikaya und dem folgenden Gauja muss ich den gleichnamigen Fluss  überqueren. Sowohl im Navi als auch auf der Karte ist da nur eine Eisenbahnbrücke zu sehen. Trotzdem verläuft hier der R 10?  Zum Glück treffe ich in Carnikaya  das „Hunsrück-Trio“ – Karl der Pfadfinder, seinen Schwager Klaus und deren niederländischen Freund Joep aus Den Haag. Sie haben hier vor Ort schon erfahren, dass Fußgänger diese Brücke neben den Gleisen nutzen können, zumindest dann sicher, wenn kein Zug kommt. Der Weg auf die Brücke ist zur Zeit besonders schwierig, weil neben der Eisenbahnbrücke gerade die dringend notwendige Straßenbrücke gebaut wird.  Karl, der die Route des R 1 auf seinem Garmin hat, findet den Zugang dennoch ohne Probleme. Allerdings muss ich mich mit meinem Riesengepäck ganz schön anstrengen, um den Bahndamm zu erklimmen.

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Die drei haben es einfacher. Sie sind viel leichter unterwegs, denn sie fahren von Hotel zu Hotel, die Karl alle vorgebucht hat. Heute müssen sie bis Sigulda kommen. Der R 1 und der R 10 laufen in diesem Teilstück bis Saulkrasti über die gleiche Route. Karl möchte möglichst landschaftlich schöne Strecken radeln und hält sich deshalb strikt an seine Routenbeschreibung.Selbst wenn dort steht, das Stück sei  ein „rustikaler Waldweg“ probiert Karl den. Seine beiden Freunde folgen ihm ohne Murren. Bisher hätte das immer prima geklappt, meint Klaus. Sie fahren schon seit 2010 zusammen. Joep hat im Hunsrück ein Ferienhaus und dort die beiden kennen gelernt. Im ersten Jahr sind sie nach Berlin geradelt. Dann von Berlin bis Klaipeda (Memel). Und in diesem Jahr mit dem Zug bis Rostock, von dort mit der Fähre nach Klaipeda und ab da per Rad nach St. Petersburg. Zwischen den dreien ist die Aufgabenverteilung klar und gut geregelt, merke ich. Sie kommen gut miteinander aus und zu jedermanns Zufriedenheit voran.

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Ausgerechnet jetzt, wo ich als Gastfahrer dabei bin, geraten wir in einen ausgedehnten Wald, in dem es nur tiefe Sandwege oder extrem schmale und holprige Pfade mit tiefen Mulden, knorrigen Wurzeln und tiefhängenden Ästen gibt. Auch mein Navi findet hier keinen festen Weg mehr. Für die vielleicht fünf Kilometer bis Lilaster brauchen wir mit Suchen, Umkehren, Bahngleis-Überquerungen und Stürzen fast eine Stunde. Ich bin klatschnass geschwitzt und ziemlich sauer auf mich. Warum folge ich den dreien, wo mein Navi mir doch vor der Brücke den Umweg über die A 1 vorgeschlagen hat? Dieses Schieben und Würgen ist auch Karl nicht recht, spüre ich an seiner Erleichterung, als wir wieder Asphalt unter den Reifen haben.

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Für die Hilfe bei der Gauja-Überquerung bedanke ich mich, wünsche den dreien eine gute Weiterfahrt und verabschiede mich, nicht ohne ihnen klar zu machen, dass ich mir weder die Zeit nehme noch in der Lage bin, um solche Offroad-Trails  mit Freude zu bewältigen. Die drei haben dafür Verständnis, wobei Karl mir nochmal versichert, dass auch sie jetzt über asphaltierte Wege weiter fahren. Er weiß sich sogar zu erinnern, dass ich auf meinem Weg im nächsten Ort an ein durch Gittertore gesichertes Betriebsgelände kommen werde, die mich dann eventuell doch zwingen, den Radweg zu nehmen, den sie fahren werden. Er hat sich die Strecke zu Hause in ‚streetvieuw‘ angesehen. Ich bleibe bei meinem Plan, komme auch tatsächlich an die Tore. Sie sind aber offen. Eine ruhige Nebenstraße bringt mich nach etwa fünf Kilometern auf die A 1, auf der wenige Meter hinter mir das Hunsrück-Trio mir fröhlich zuwinkend folgt. Zusammen fahren wir bis Saulkrasti. Joep schlägt vor, noch einen Abschiedskaffee zu trinken. Ich möchte gern schwimmen gehen, weil ich vom Schieben im Wald total verdreckt, voller Sand und Kiefernnadeln bin.. Karl weiß, dass wir gleich an einem Fahrrad-Museum vorbei kommen.

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Also ist die Reihenfolge klar: zuerst Museum, dann Schwimmen, schließlich Kaffee trinken. Ein Glück, dass ich alleine unterwegs bin und meinen Weg und meine Pausen alleine bestimmen kann.