MEIN CAMINO

Meine radfahrt habe ich am 1. juli in Tüddern in der gemeinde Selfkant – der westlichsten gemeinde der Bundesrepublik – begonnen. Tags zuvor bin ich von dort nach Aachen und wieder zurück geradelt, um diesen bekannten und historischen ort als startpunkt meiner  pilgerroute angeben und mit dem ersten stempel in meinem pilgerpass belegen zu können – ausgestellt von der pfarre St. Jakob in Aachen am 30. 6. 2000.

Obwohl pilger aus dem Rheinland traditioneller weise durch das maastal richtung Reims und dann über Paris also über die ‚Via turonensis‘ (rad)wandern, habe ich mich entschieden, den streckenabschnitt zwischen Maastricht, Lüttich und Namur wegen des dichten verkehrs zu meiden. Ab Reims wollte ich wechseln auf die ‚Via lemovicensis‘, da ich unbedingt Vezelay, einen teil Burgunds, sowie das Berry und das Limousin kennen lernen wollte. Ich nahm an, dass diese route landschaftlich reizvoller als die küstenroute, aber weniger bergig als die route durch das zentralmassiv sei. Gegen den küstennahen jakobsweg durch Frankreich habe ich mich auch entschieden, weil ich dem verkehr um Paris entgehen wollte und landschaften wie die Vendee, Charente und Gironde schon von früheren radurlauben kannte. Auf dem bekanntesten östlichen pilgerweg über Puy en Velay, Rocamadour und Conques ist die zahl der sehenswerten kulturdenkmäler ungleich größer. Sie zu besichtigen und kennen zu lernen wäre wahrscheinlich in meinem knapp bemessenen zeitrahmen nicht möglich gewesen.

Schließlich hatte ich mit einem PC-routenplaner errechnet, dass die ‚lemovicensis‘-route kürzer ist als die beiden anderen haupt-pilgerwege. Außerdem bot dieser weg die möglichkeit, noch pionier- oder besser gesagt pfadfinder-arbeit zu leisten. Der europäische wanderweg GR 654 von Namur nach Ostabat entspricht zwar der ‚Voie de Vezelay‘ als wanderweg, ist aber noch nicht durchgehend markiert und für radfahrer vielerorts nicht geeignet. Einen speziellen rad-pilgerführer für die ‚Via lemovicensis‘ habe ich nicht gefunden in der deutschsprachigen literatur über die verschiedenen jakobswege. Evt. kann dieses tagebuch dazu einen beitrag leisten.

Der französische teil der von mir gewählten route ist – wie gesagt -bislang erst auf einigen abschnitten als ‚chemin de St. Jacques‘ für  wanderer oder reiter ausgewiesen. Deswegen musste ich mir in Frankreich größtenteils selbst die genaue radstrecke aussuchen und festlegen, wobei aber hier wegen des stärker ausgebauten straßennetzes leichter verkehrsarme straßen zu finden sind als etwa in Spanien. Anhand von französischen straßen[1]– und wanderkarten[2] habe ich meine route über meist kleinere departement-straßen geführt, in den karten markiert und auf routenkärtchen[3] festgehalten, auf denen ich die jeweils anzufahrenden orte, die zu benutzende straße mit ihrer nummer und die zurückzulegende entfernung bis zum nächsten größeren ort bzw. bis zur nächsten abbiegung in kilometern vermerkte.

In Spanien bin ich den in vielen pilgerführern[4] eingehend und genau beschriebenen ‚camino real‘ gefolgt, wobei ich mich erst vor ort je nach straßenbeschaffenheit und verkehrsdichte entschied, ob ich den fußweg nahm oder auf der straße blieb. Dabei habe ich mich nach zwei unterschiedlichen büchern gerichtet: einem nieder-ländischen rad-pilger-führer[5] und dem bekanntesten spanischen pilgerführer[6] für fußgänger, der aber auch kurze hinweise für radpilger beinhaltet.

Heute muss sich jeder pilger darüber im klaren sein, dass auch am jakobsweg die moderne verkehrsentwicklung vor allem in großstadtnähe nicht spurlos vorbei gegangen ist. Wo früher auf schmalen pfaden gewandert wurde, laufen heute vielfach verkehrsreiche fernstraßen. Aber dennoch führt der weitaus größte teil der spanischen strecke immer noch über den traditionellen fußweg durch ländliche gebiete, die man als motorisierter tourist kaum entdecken kann. Allerdings ist dieser weg in vielen teilen nur schwer mit dem rad zu befahren und der radler immer wieder gezwungen, auf straßen auszuweichen, sofern er nicht über eine geländegängige ausstattung und dementsprechende kondition verfügt.

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[1] Michelin, carte routière et touristique, 1 : 200 000, Nr. 53 bis 85

[2] cartes ign, serie verte, 1 : 100 000, Nr. 2 bis 70

[3] siehe Anhang s. 157 ff

[4] z.B.: B. Teklenborg, 1997

[5] C. Sweerman, 1999

[6] M.B. Lozano, 1996