Ranong

Nachmittags und abends regnet es in Chumpon zweimal etwa eine halbe Stunde so stark, dass ich denke, ich steh in einer Waschanlage. Der Platzregen rauscht auf das Blechdach der altehrwürdigen Villa, die jetzt als Hostel dient. Aus den Dachrinnen schießt ein Wasserstrahl in C-Rohr-Stärke. Abends um halb acht dampft die Stadt. Auf mehreren Kreuzungen Wasserlachen. Um große Pfützen komme ich nicht immer herum. Alle fahren etwas umsichtiger. Die hohe Luftfeuchtigkeit ist bei immer noch 30 Grad schwer zu ertragen. Zurück vom Abendesssen muss ich noch mal duschen. Airco im Zimmer mag ich normalerweise nicht. Hier und jetzt ist sie eine Wohltat.

Am Freitag steht der Küstenwechsel an. Ich fahre auf die andere Seite der Halbinsel an die Andamanenküste. Ranong, mein heutiges Ziel ist 120 km entfernt. Darum bin ich besonders früh auf dem Rad. Die Wolken hängen noch tief. Die Sonne ist nicht zu sehen bei dem diesig verhangenen Licht. Schon um 9 Uhr sind es dennoch wieder 26°.

Um auf die Westseite der Halbinsel zu gelangen, muss ich kein hohes Gebirge überwinden. Die bisherige Straße ist in Teilen schon vierspurig ausgebaut. An vielen Baustellen wird weiter gearbeitet. Das ist für mich kein Nachteil. Der ohnehin nicht starke Verkehr ist gezwungen langsamer zu fahren. Oft kann ich entspannt die bereits asphaltierten, aber noch nicht freigegebenen Teilstücke nehmen.

Die schon ausgebauten Kilometer ziehen sich in langen auf- und abschwingenden Wellen dahin. Radspaß kommt da nicht auf. Eine Pause auf einem kleinen Markt an der Straße tut gut. Ich kaufe Wasser, Bananen und ein Stück Kokoskuchen. Unter den vielleicht 20 Frauen, die hier verkaufen, fällt mir ein Gesicht auf. Als einziges ist es geschminkt. Und dieser Hut ist auch ungewöhnlich hier.

Bei ihr kaufe ich noch vier dicke Clementinen. Und weil ich wahrscheinlich irgendwie überrascht geguckt habe, sagt sie keck: „I love make-up!“ Und sie erzählt weiter, dass sie einen „Korean style“ bevorzuge. Sie würde sich die Schminktipps auf youtube anschauen. Sie schwärme für Korea – natürlich für Südkorea – wolle da unbedingt mal hin. Das Leben dort sei viel moderner als in Thailand. Während sie an allen Wochentagen hier auf dem Markt ihrer Mutter helfe, schaue sie am Wochenende eine koreanische Serie im Internet. Daher käme ihre Vorliebe für Korea. Sie sähe ja auch eher aus wie eine Koreanerin. Und sie fände auch „Korean boys handsome“. Einen Freund würde sie aber noch nicht haben wollen. Dazu sei sie mit 25 viel zu jung. Sie wäre in Ranong zur Schule gegangen. Auf eine Universität ginge sie nicht, weil sie täglich hier arbeite. Aber sie würde weiter English lernen und werde irgendwann auch reisen. Nach Europa wäre viel zu teuer. Nein – nach Korea, dem Land ihrer Träume.

Ihr Name ist Kedika (wenn ich ihn richtig verstanden hab) und als ich sie fotografieren möchte, willigt sie gern ein, rückt den Hut zurecht und schaut besonders freundlich in die Kamera. Ob ich bei facebook wäre, will sie noch wissen. Als ich das verneine, sehe ich eine gewisse Enttäuschung in ihrem Gesicht. Wovon ein Mädchen in der thailändischen Provinz so träumt.                                                                                          Ihre fast zahnlose Mutter hat der Tochter bei unserer Unterhaltung voller Stolz schmunzelnd zugeschaut. Sie und die Frauen an den Nachbarständen winken freundllch, als ich wieder aufs Rad steige. Die etwas andere Kedika nicht. Sie stapelt ihre Orangen neu.

Am Isthmus von Kra, der mit 44 km schmalsten Stelle der malaysischen Halbinsel, komme ich an die Andamanen Küste. Myanmar ist hier nur wenige km entfernt, durch eine Art schmalen Fjord von Thailand getrennt.

Die letzten 25 km kann ich noch die alte Straße nehmen. Die ist mir viel symphatischer. kurviger, mit kürzeren Anstiegen, wo ich nicht das Kettenblatt wechseln muss. Nur der Raum für Rad- und Mopedfahrer ist halt gering. Selbst die Hinweisschillder auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer verschwinden im Grün des Straßenrands.

Letzter Halt und erfrischender Höhepunkt der Etappe ist der Punyaban Wasserfall, unter dem ich ein kühles Bad nehme. Ab hier geht’s noch einmal länger rauf und dann kurvenreich runter nach Ranong.