Regenpause

Noch immer stürmt und regnet es in Queenstown. Schon seit Montagabend, die ganze Nacht und auch heute morgen. Australische Zeltnachbarn haben eine Wettervorhersage gehört, die für den heutigen Dienstag und morgigen Mittwoch weitere starke Regenfälle und schwere Stürme ankündigt. Sogar vor einem ‚cyclon‘ an der Westküste wird gewarnt.

Ohne Frühstück stehe ich um 8 Uhr im i-site-Büro, buche einen Linienbus nach Alexandra. Leider fährt kein Bus vor 16.30 auf dieser Linie. Die Radtour nach Cromwell oder Alexandra auf der SH 6 durch das Clutha-Tal wäre landschaftlich bestimmt toll gewesen. Doch ich will nicht stundenlang Regen und Sturm ausgesetzt sein und gleichzeitig den vielen Autos ausweichen müssen. 

Frühstück nehme ich heute in einem Café. Leider so voll besetzt, dass ich fast eine halbe Stunde warten muss in der nassen Jeans auf meinen „golden morning“. Zurück zum Zeltabbau im Regen. Karls Zelt ist schon weg. Schade. Hätte ihm gerne eine gute weitere Reise gewünscht. Er wollte heute nach einer Mitfahrgelegenheit ausschauen. Deshalb ist er sicher so früh los.

Voller Schlammspritzer stopf ich mein klatschnasses Außenzelt in die Tasche. Bis 10 Uhr musste ich auschecken. Doch wo soll ich hin bis halb fünf? Das bepackte Rad stell ich an der Küche ab und verzieh mich in die Wifi-Ecke, um noch was am Blog zu schreiben. Um 11 kommt ein Reinigungsteam und schmeißt mich raus.

In der Stadt gibt es ‚free Wifi‘ sinniger Weise im Stadtpark. Grandiose Einrichtung bei dem Sauwetter! Also doch in ein Café. Mir ist es peinlich, auf einem Tee und einem Muffin stundenlang sitzen zu bleiben. Das Wlan kann ich – ohne zu zahlen – ohnehin nur 30 Minuten nutzen. Also wieder raus ins nasskalte Wetter. Den Besuch einer Buchhandlung dehne ich auf eine Stunde aus. Ein Fotobildband über Otago von Graham Sidney gefällt mir sehr. So möchte ich fotografieren können.

Im Supermarkt kauf ich ein fürs Abendessen und das morgige Frühstück. Am Warenlager des Marktes beschaff ich mir einen Rest Noppenfolie, weil ich vor dem Biketransport im Bus die schmierige Kette umwickeln soll.

Die Haltestelle ist überdacht, aber zugig. Zehn nach vier kommt der Bus schon. Ziemlich durchgefroren stell ich mein Rad in den Laderaum. Zwei andere Räder müssen noch mit, eins sogar mit Anhänger. Wir helfen einander und schaffen, dass alle sicher in dem hohen Gepäckraum untergebracht sind.

Kurz vor 18.00 Uhr am i-site in Alexandra hänge ich meine Taschen wieder ans Rad. Im strömenden Regen. In dem Moment schließt ein Herr das Büro. Ich frag ihn, ob er einen Tipp für eine Unterkunft hat. Im Motor Camp außerhalb des Ortes sind noch ‚cabins‘ frei, da ist er sich ganz sicher. Nicht mal drei Kilometer bis dort.Tropfnass treffe ich bei einer korpulenten älteren Frau ein, die mir die ‚unit 1‘ anbietet. Ein Zwei-Raum-Container mit zwei Hochbetten im Schlafraum, der für mich verschlossen bleibt. Im anderen Raum eine Küchenzeile ohne Herd, Tisch und Stühle, Bett ohne Bettzeug und ein Flachbildfernseher. Duschen und Toiletten im Hauptgebäude.

Wie froh ich bin! Endlich im Trocknen. Ein elektrischer Heizlüfter an der Wand wärmt die kalte Kunststoff-Bude langsam auf. Mein Abendessen krieg ich mit Microwelle und Wasserkocher hin.Jetzt warm duschen, 50 m Sprint zurück zur Kabine durch den Regen, tüchtig abrubbeln, Merino-Unterwäsche, Fleece-Pulli und Wollsocken an. Dann ab in meinen Schlafsack.Kuschelig warm wird mir. Im Fernseher Bilder von Hochwasser und Sturmschäden, entwurzelten Bäumen, umgekippten Wohnmobilen, über die Ufer getretenen Flüssen, überschwemmten Straßen und einer Schlammlawine, die durch ein Bergdorf walzt.

Auf das hellhörige Kunststoffdach prasselt die ganze Nacht Regen – mal heftiger, mal leiser. Morgens habe ich mich längst entschlossen bis Donnerstag früh in dem Häuschen zu bleiben. Den verregneten Mittwoch werde ich nutzen, die nächsten Reisetage zu organisieren, das Rad zu pflegen und Wäsche zu waschen. Unter dem Vordach kann ich trocken am Rad arbeiten und die Wäsche aufhängen.

„Denise, Alex-i-site“ – so meldet sie sich am Telefon – telefoniert für mich viel herum und fragt genau nach, bis sie zufrieden ist. Die nächsten vier Tage meiner Reise stehen. Dreimal in einfachen Dorfhotels und einmal in einer Hütte werde ich übernachten auf dem Cycle Trail durch Central Otago. Die Etappen sind kurz und gut zu schaffen. Auch das Zugticket, mit dem ich am Montag von Middlemarch/Pukarangi nach Dunedin fahre, hab ich schon.

Nachmittags kurz vor 16 Uhr hört es endlich auf zu regnen. Die Wetervorhersage für morgen und die nächsten Tage ist gar nicht schlecht. Morgen soll es im Otago 10 ° wärmer werden als heute. In den Abend-News sehe ich, dass auf der Crown Range, die ich Montag mit dem Rad überquert habe, Dienstagnacht 10 cm Schnee gefallen sind. Campervans sind von dem Wintereinbruch dort oben überrascht worden. Manche mussten durch Abschleppdienste von den Stelllätzen gezogen werden.

Bei solchen Nachrichten bin ich froh, zumindest mal vier Tage im voraus zu wissen, dass ich im Trockenen schlafen werde. Radreisen von Hotel zu Hotel –  vorgebucht und festgelegt – bisher fand ich die spießig und zu sehr auf Sicherheit ausgerichtet, nicht offen genug für spontane Kontakte, willkommene Routenänderungen oder zufällige Entdeckungen. In dieser Regenpause ändere ich meine Meinung. Ich werde zum Komfort-Radler. Ab morgen schau ich, wie mir das gefällt.