SCHNAPP-SCHUSS

Palmyra, 28-10-2008

In Homs bin ich morgens schon früh unterwegs. Die „wüsten“strecke nach Palmyra will ich doch mit dem rad in angriff nehmen. Sie ist fast flach. Das ist gut für mein knie. Mein bauch ist wieder in ordnung. Klopapier hab ich sowieso mit. Mein kopf wird durch geblasen in der weite. Meiner seele werden die grünen wasserstellen zwischen sanft geschwungenen gelben sanddünen gut tun.  So mal ich mir das aus beim frühstück.

Und sollte die strecke zu lang werden – versichert mir der hotelmanager – kann ich auf der strecke stehen bleiben. Der nächste bus oder lkw, der vorbei kommt, wird mich sicher mit nehmen.

Aber Homs hat noch eine sehenswerte Marienkirche zu bieten, in der der gürtel der hl. jungfrau als reliquie seit 476 n.C. verehrt wird. Die schaue ich mir noch an. Dabei komme ich an mehreren bäckereien vorbei, vor denen männer in langen warteschlangen um ihre plätze rangeln. Ist frisches brot so rar? Dabei liegt das in plastiktüten verpackte fladenbrot doch überall aus. Ich fotografiere die drängelnden leute. Dann besichtige ich die kirche.

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Als ich sie verlasse, stellen sich vier männer mir in den weg. Ob ich mich ausweisen könnte, fragen sie. Ob sie von der polizei seien, will ich wissen. Sie bejahen. Ob sie sich denn auch ausweisen könnten, frage ich wieder. Der jüngste zeigt mir seinen dienstausweis. Daraufhin zeige ich ihnen meinen reisepass. Einer in lederjacke kontrolliert ihn und nimmt ihn an sich.

Sie bitten mich mit zu gehen zu einer personen kontrolle. Ich sage, dass ich mein rad nicht hier ließe. Inzwischen ist der katholische geistliche hinzu gekommen und versichert mir, das rad wäre hier im pfarrhof sicher. Ich bestehe aber darauf, dass ich mein rad mitnehmen kann. Daraufhin telefonieren zwei polizisten. Der „dolmetscher“, der besser englisch spricht, beruhigt mich, es sei eine reine routinekontrolle. Dabei bin ich für meine verhältnisse recht gelassen.

Sicher haben solche kontrollen mit den vorfällen von vorgestern an der irakischen grenze zu tun. Oder machen sich besucher katholischer kirchen etwa schon verdächtig? Dann hätten sie auch das französische paar kontrolliert, das vor mir die kirche verlassen hat.

Während wir zu sechst bei meinem rad warten, fragt einer, ob er die kamera mal sehen könnte. Ich sage: „Ja, gerne! Ich zeige sie Ihnen.“ Er nimmt sie mir von der schulter, schaut sie sich nicht näher an, behält sie aber. Der dolmetscher versichert mir wieder – bestimmt weil ich ziemlich blöd geschaut habe – ich sei hier sicher und bekäme auch die kamera zurück. Plötzlich ahne ich, dass die ganze scheiße mit dem foto vor der bäckerei zu tun haben muss.

Ein VW-Caddy-pritschenwagen kommt. Vier mann steigen aus. Einer im dunkelblauen anzug, hellblauem hemd und krawatte gibt mir die hand und stellt sich vor. Der „dolmetscher“ nennt ihn general sowieso. Zwei laden mein rad auf. Ich soll hinten einsteigen. Links und rechts neben mich keilen sich zwei der ersten vier polizisten auf die sitzbank. Den general auf dem beifahrersitz, die zwei träger auf der ladefläche braust der fahrer erst durch die stadt, dann stadtauswärts richtung Tripolis, wie die schilder angeben.

An einer kaserne biegen wir ein, passieren sie aber und halten vor einem polizeigebäude, erkennbar an mehreren polizisten in blauen uniformen mit übergezogenen grünen schusswesten und mp in den händen vor dem haupteingang. Zig leute gehen ein und aus, acht- und grußlos an den wachhabenden vorbei. Mit dem caddy müssen wir zum hintereingang. Mein rad bleibt auf der ladefläche.

Wir gehen in den ersten stock durch ein treppenhaus aus marmor, in dem das bildnis Assats mindestens 100 mal von den wänden prangt. Auch in dem raum, in dem sie mich jetzt bitten platz zu nehmen, schaut Assat mich aus jeder ecke an.

Hinter einem winkel-schreibtisch wartet der „police-manager“ auf mich. Ein bescheiden wirkender mitvierziger in kariertem hemd und jeans. Er entschuldigt sich zuerst bei mir für die umstände, die sie mir machen. Der dolmetscher fragt mich, ob ich „scared“ sei. Ich verneine. Im raum sind mit uns noch zehn personen: Alle acht an der kirche anwesenden polizisten, ein junger mann der tee kocht und ein computer-mensch. Der schließt meinen stick und mein kartenlesegerät am volkseigenen pc des police-managers an, nachdem dieser mein einverständnis erfragt hat, meine fotos anschauen zu können.

Als ich auf dem schirm sehe, dass sie die Türkei-bilder hochladen, will ich ihnen helfen. Sofort bringt der general mich mit dem dolmetscher in einen anderen noch größeren raum mit einem tisch und acht stühlen. Dort fängt die befragung an. Alle antworten soll ich in englisch in großdruck aufschreiben. Beim vornamen haben wir schon das erste poblem: Gerhard Fanz Kornelius bleibt ihnen unverständlich, bis ich schreibe: Gerhard – father, Kornelius – grandfather, Franz – me. Dann wollen sie noch den namen meiner mutter wissen. mein alter – schon geht der bewundernde daumen hoch – adresse, verheiratet, kinder, wie alt, und ich weiß nicht mehr welche anderen persönlichen daten noch.

Schließlich die fragen zu meinem aufenthalt in Syrien. Wie lange? Wo? Wohin? Warum? Wieso fahrrad? Wieso allein? Wo ist die frau? usw.

Dann die frage zum „tatbestand“: Ob ich heute eine bäckerei fotografiert habe? Ja! Warum? Weil ich festhalten wollte, wie die männer in der schlange um brot drängeln. Ob ich nicht wüsste, dass  das gefährlich sei? Nein! Der general wiegt  bedenklich den kopf. Ich kann meinen mund nicht halten: Ich hätte in einem reiseführer zwar gelesen, dass man in Syrien wie auch in der Türkei keine militärischen anlagen fotografieren dürfe. Aber eine bäckerei? Was kann daran gefährlich sein? Der general erklärt mir dann, dass es amerikanische journalisten gäbe, die mit  solchen fotos ihre fingierten berichte… Deshalb auch die nächste frage: Ob ich für eine zeitung arbeite? Mein jugendtraum, denke ich und verneine.

Danach muss ich kurz zusammen mit dem dolmetscher warten, bis der general uns in einen salon mit schweren vorhängen, wuchtigen ledersesseln und einem riesigen dunklen schreibtisch bringt, hinter dem der „general-police-manager“ mich ganz förmlich aber ohne mich anzuschauen willkommen heißt in Syrien. Er spricht arabisch. Der talk übersetzt. Der „chef“ schaut nach der begrüßung in irgendwelche papiere. Mehrmals kingeln die verschiedenen telefone auf seinem tisch. Noch häufiger kommen verschiedene schreibkräfte mit irgendwelchen schriftsachen, die er ohne sie zu lesen abzeichnet. Der junge von nebenan bringt uns tee. Wir warten. Bis er dem general das wort erteilt. Der trägt ihm stramm stehend  kurz meinen „fall“ vor, wie ich seiner mimik und gestik glaube entnehmen zu können. Der dolmetscher wird auch noch um eine mir nicht erklärliche stellungnahme gebeten. Da erscheinen zwei männer, denen geld und papiere gestohlen wurden. Wir warten. Er diskutiert und bedauert, aber schickt sie unverrichteter dinge weg. Einen sehr gepflegt wirkenden herrn im grauen anzug mit anstecknadel und lackschuhen begrüßt er mit wangenkuss. Kurzes wohl eher privates gespräch und ein telefonat. Wir warten. Der noble herr verabschiedet sich. Ein jüngerer genervter mitarbeiter im streifenhemd, beschwert sich über irgendetwas. Wir warten. Diesmal brüllt der chef irgendetwas ins telefon. Dann dürfen wir drei auf seinen wink hin den salon wieder verlassen.

Im verhörraum warten wir drei. Bis kurz vor zwei. Ohne dass ich noch irgendetwas sagen oder tun muss. Der general spielt mit seinem handy oder blättert in meinem pass. Der dolmetscher raucht und gähnt. Ich lese in dem faltblatt, das ich vom pastor bekommen habe, über die marienkirche. Dann klopft es an der tür. Wir dürfen in den salon zurück.

Der general-police-manager bedauert, dass ich so lange warten musste, wünscht mir eine gute reise und gibt mir die hand, wieder ohne mich anzusehen. Zurück in den raum mit dem pc. Hier ist immer noch volles haus. Anscheinend haben alle meine bilder angeschaut. Der computermensch zeigt mir mit Daumen hoch, dass er manche bilder schön fand und gibt mir alle speicherkarten und den stick zurück. Als ich anfange, sie zu kontrollieren, wird der general ungeduldig. Ich muss lachen und sage dem dolmetscher, dass ich vier stunden gewartet hätte. Er zuckt die schultern und legt den finger auf seinen mund, als der general ihm den rücken zukehrt. „He’s in hurry!“ Wahrscheinlich will er nach hause.

Unkontrollliert muss ich meinen kram einpacken und im laufschritt mit zum caddy. Dort öffnet einer der wachtposten die hintere klappe der ladefläche. Runterheben muss ich das rad alleine.

Der dolmetscher kommt nochmal und flüstert mir im vertrauen zu dass „a very important man“ sei… Wen er jetzt meint, weiß ich wirklich nicht. Erst vorige woche habe dieser zwei mitarbeiter einer amerikanischen zeitung hier in Homs fest nehmen und ausweisen können. Ist mir doch  völlig wurscht. Ich will hier weg. Er möchte mich noch ins zentrum begleiten. Ich danke und radle ziemlich zügig zum busterminal im süden der stadt. Ab in die wüste.

Das foto haben sie uebrigens nicht mal geloescht:

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