STADT GOTTES

Qazvin, 07.03.09

„Esfahan – city of God“, lese ich auf einem bus als ich von der alten steinernen brücke in den zentralen nordteil der stadt radle. Wieder mal eine stadt an einem Fluss. Westlich der Siosepol-brücke (persisch für 33-bogen-brücke) ist dieser gestaut. Angeln, rudern, tretboot fahren – hier ist viel los am sonntag. Auf der östlichen seite der brücke ist der fluß nur ein feuchtgebiet mit tausenden von vögeln, trocken liegenden booten und steinigen wehren, über die wagemutige auf die andere flussseite kraxeln.

Bis zur Kajoubrücke mit ihren 22 bogen zieht sich auf der nordseite eine kilometerlange aber nur 20 bis 30 m breite parkähnliche spazier- und ruhezone, die am wochenende von hunderten von schwer bepackten familien zum picknick genutzt wird.

Besonders göttlich wirkt hier nichts auf mich. Eher sehr entspannt und lebensfroh. Jungengruppen liegen im gras, knattern auf ihren mopeds herum, machen ihre späße. Mädchen suchen deren aufmerksamkeit, bleiben aber unter sich und im gebührenden abstand. mmer wieder sehe ich verliebte hand in hand. eine Frauengruppe – ganz in schwarz – hockt im gras und picknickt. Als ob krähen ihre beute verteilen. Stolze junge väter tragen ihre in decken gewickelten babies durch den park. In Esfahan scheint das leben für viele lebenswert, zumindest am freitag. Vielleicht macht das ja das göttliche aus an dieser stadt.

Auch im zentrum um die beiden stadtpaläste – die sich leider noch im winterschlaf bzw. frühjahrsputz befinden – zwei ausgedehnte parks mit altem baumbestand, vielen blumenbeeten und wasserspielen. Auch hier sitzen, liegen, essen und spielen überall alte, familien und pärchen am freitag.

Der heraus ragende platz in der stadt ist der ‚Meydane‘ – der platz schlechthin für die Esfahaner. Das mehr als 500 m lange rechteck  – rundum zweistöckig umbaut – integriert auf drei verschiedenen seiten je eine eindrucksvolle moschee und auf der vierten seite einen mehrstöckigen palast.

Trotz aller restaurierungsarbeiten ein herrlicher stadtmittelpunkt voller leben. Nicht nur zum beten, auch zum bummeln und einkaufen kommen täglich tausende, in die den platz umgebenden gewölbegänge. Es gibt vielleicht ursprünglichere bazare. Aber dieser bildet eingebunden in das meydane-rechteck ein vollkommenes ensemble mit den übrigen gebäuden.

Am freitag zum mittagsgebet ist der Meydane zu einem drittel gefüllt mit betenden menschen. Wie viele männer hier auf dem boden knien, kann ich nicht schätzen. Aber auch mehrere hundert frauen – natürlich fein säuberlich getrennt vom andren  geschlecht – stehen, hocken und bücken richtung Mekka.

Nach dem gebet werden in allen vom platz wegführenden straßen vonkleinlastern aus pflanzen verteilt. So weit ich verstehe, als eine art frühlingssymbol. Mich erinnern die verschiedenen meist lang aufgeschossenen pflanzen an die palmzweige, die die gläubigen in Spanien in der palmsonntags-prozession tragen. Das gedränge und geschubse kann beim einzug Jesu in Jerusalem nicht schlimmer gewesen sein.

Wie gastfreundlich und hilfsbereit die leute auch in der stadt sind, erfahre ich bei jeder gelegenheit. Ob ich ein besonders günstiges hostel suche oder ein restaurant mit traditioneller iranischer küche, ob ich mit dem rad in die moschee möchte oder zur hauptpost, ob ich klebeband brauche, einen briefumschlag oder einen karton – immer ist jemand da, der mir hilft, mit mir geht, für mich übersetzt. Immer haben sie zeit, fragen und reden, bleiben bis ich alles geregelt habe, laden mich immer ein in ihr haus (Ta’arouf?). Nie erwartet oder nimmt einer geld.

Erstes beispiel: Schreibpapier, karton und klebeband aus dem radladen. Ich will mir hinten neue bremsklötze montieren. In einem radladen geht das besser, weil ich da mein rad aufhängen kann. No problem, sagen die jungs. Sie helfen mir sogar, obwohl ich die klötze aus meinen vorräten nehme.

Dann sehe ich in einer ladenecke einen festen kleinen karton. Ich will ein paket nach hause schicken mit dingen, die ich nicht mehr brauche auf meiner reise. Insgesamt über vier kilo weniger gepäck auf dem rad. Der karton wäre genau richtig- Ich frage. Sofort packt der ältere die kunstoffhupen aus und reicht mir den karton.

Aus meinem rucksack packe ich jetzt die bücher und landkarten von Zentralasien und China, wasserfilter, fahrradtasche fürs flugzeug usw in die dose. Jetzt brauche ich klebeband. Als ich mich danach umschaue, rennt der jüngere schon zum nachbarladen. Mit einer dicken rolle breitem klebeband auf einem professionellen abroller kommt er zurück. Mein paket ist echt gut verpackt. Als ich den beiden ein trinkgeld geben will, reagieren sie ganz empört. Ich wäre doch inzwischen ein freund. Ta’arouf ?, ist ja immer die frage. Aber auch als ich den schein zum dritten mal auf die kasse lege, stecken sie ihn mir wieder zurück.

Zweites beispiel Hamzeh. Er radelt vom einkauf kommend neben mir her und fragt, ob er mir helfen kann. Ich suche die hauptpost. Er bringt mich hin. Hamzeh erkundigt sich bei DHL, EMS und TNT. Alle sind für dieses paket viel zu teuer. Bei der iranischen post erfährt er, dass bei normalem versand mein paket innerhalb 25 tagen in Deutschand sei. Bis 5 kilo gewicht kostet das 31.000 Tuman. Das sind doch über 30 $.

In der schlange am paket schalter stehen 10 leute an, weil jedes paket geöffnet, sein inhalt kontrolliert und dann professionell in stabilem karton neu verpackt wird. Da hab ich mir solche mühe mit der verpackung gegeben. Und die schneiden sie einfach auf.  Insgesamt bleibt Hamzeh über eine stunde bei mir. Seine oma, bei der er lebt, ruft er zwischendurch an, damit sie sich keine sorgen macht, wo er mit den lebensmitteln bleibt.

Als ich ihn einlade mit mir zu mittag zu essen, führt er mich auf mein bitten in ein typisch iranisches lokal. So gut habe ich bisher noch nicht gegessen im Iran: Suppe, oliven und joghurt mit brot, Dolmeh (in schmackhaft gewürzte blätter gewickelter reis gebraten), Banjadem (süß-sauer gefüllte Auberginen) und Salat. Danach noch tee mit gebäck. Natürlich will er zahlen, weil ich ja schließlich der gast in seinem land sei. „Ta’arouf?“ frage ich ihn daraufhin lächelnd. Er ist nicht beleidigt, aber meint ganz ernst, er könne sich nicht von mir einladen lassen. Dabei weiß ich inzwischen von ihm, dass er seit sommer keinen job und bestimmt nicht viel geld hat. Zum glück ist er schließlich zu einem kompromiss bereit.

Jetzt ist es schon zwei uhr. Hamzeh muss endlich zur oma, ich weiter. Zum abschied sagt er mir, ich sei sein freund. Er würde gerne wissen, wie es mir weiter ergeht im Iran. Noch einer, dem ich meine Irancell-nummer nicht vorenthalten kann.