STYRKEPROVEN

Die große Kraftprobe – ‚den store styrkepröven‘ in norwegisch – diesen Titel trägt das alljährlich zur Mitt-Sommer-Nacht ausgetragene Langstrecken-Radrennen für jedermann von Trondheim nach Oslo über 540 km.

Nidras-Dom in Trondheim

Speicherhäuser, ‚gamle brua‘

Am ersten Samstag nach der längsten Nacht des Jahres, in der es auch in Mittelnorwegen nicht wirklich dunkel wird, starten je nach Wetterlage zwischen 3000 und 6000 Radverrückte aus der ganzen Welt zu einer einzigartigen Ausdauerprüfung. In Gruppen von jeweils 80 Langstreckenfreaks ganz unterschiedlicher Couleur geht’s von Trondheim nach Oslo. Dazu haben sie maximal 48 Stunden Zeit. Entlang der E 6 – einer ansonsten recht viel befahrenen Nord-Süd-Verbindung Norwegens – strampeln sie zunächst hoch auf den Dovrefjell, dann durch Gudbrandsdalen nach Lillehammer (Kilometer 370), Hamar und am riesigen Mjösensee vorbei nach Oslo.

1999 habe ich teilgenommen. Allein, mit ’nem kleinen daypack auf dem Rücken und einer Lenkertasche am Rad. Im Rucksack eine weitere Radhose ein zweites Trikot, in der Tasche Kamera und Proviant. Letzteres hätte ich mir sparen können, denn entlang der gesamten Strecke sind alle 80 km üppige Versorgungsstationen aufgebaut, an denen die Radler sich mit verschiedenen Getränken  erfrischen und mit reichhaltigen Snacks, Obst und Riegeln ihre Energiespeicher wieder aufladen können. Selbst das Angebot sich massieren zu lassen bestand an verschiedenen Stationen. Leider war das Wetter denkbar schlecht: Zunächst Nieselregen, dann stärkerer Regen und 8 Grad C auf dem Dovrefjell.

Aber nachdem ich mich in Oppdal umgezogen hatte, blieb es trocken bis Oslo und je südlicher wir radelten, um so wärmer wurde es. Keinen Meter radelte ich tatsächlich allein. Stets fand ich eine Gruppe, die mein Tempo fuhr und in der ich mich verstecken konnte. Erst auf den letzten 100 km traute ich mich auch mal ‚auf Kopf’ zu fahren. Da spürte ich  nicht nur, dass ich noch recht gut drauf war, sondern wie mein hoher Adrenalinspiegel mich ich immer schneller fahren ließ.

Rathaus Oslo

Nach ca. 22 Stunden rollte ich glücklich und überraschend frisch in Oslo ein. Der Sieger – ein österreichischer Exprofi – war zwar schon 8 Stunden eher angekommen und in meiner Altersklasse fuhr eine norwegische Radlerin eine glatte Stunde schneller als ich. Aber ich war völlig zufrieden mit dem Verlauf meiner ‚Kraftprobe’.

Ob ich noch mal teilnehmen werde ? Eher nein! Das Rennen bedarf wegen der langen Anreise und den hohen norwegischen Preisen zu viel Aufwand und bietet dafür doch zu wenig radtouristische Qualität – vor allem bei der unsicheren Wetterlage im Juni.