UM SONST

Wie immer hab ich gut geschlafen. Auch in dieser Absteige. Wie immer bin ich früh auf. Auch in Ptolemaida sind schon viele auf den beinen kurz nach sechs. Die junge frau an der rezeption toastet weißbrot scheiben und schüttet Nescafé auf. Dazu gibt’s ein glas orangennektar. Am „buffet“ nehme ich marmelade, honig und käse. Was will ich mehr. Über geschmack lässt sich nicht streiten.

Der hotelier ist auch schon auf. 20 € will er haben. Taxes fallen nicht an. Er schreibt keine rechnung.

Jetzt bin ich sehr früh am radladen. Sie – Elena, wie ich später lerne – hat dennoch schon aufgeschlossebn und alle angebots-räder raus gestellt.

Bevor ich ihr mein problem schildern kann, bietet sie mir erst einmal einen platz auf einem hocker vor ihrem pc-arbeitsplatz an. English kann auch sie nur verstehen. Aber nicht viel, wie ich später merke. Jedoch viel mehr als ihr mann, den sie anruft, nachdem sie meinen ratternden freilauf gehört hat. Eine viertelstunde später ist er da. Seine struppigen haare und sein mürrischer gesichtsausdruck zeigen deutlich: Sie hat ihn aus dem bett geklingelt. Darum muss sie auch als erstes kaffee kochen. Ich kriege auch einen.

Er will zuerst nicht glauben, dass der freilauf probleme macht. Dennoch fängt er irgendwann an zu schrauben, nimmt meine nabe ganz auseinander, telefoniert, geht längere zeit raus, kommt mit anderem werkzeug zurück, nimmt einer seiner neuen XT-naben auseinander. Er schimpft auf Shimano. Er ruft jemanden an. Ich merke, dass er einen kollegen Christo fragt. Nach dem telefonat geht er raus. Seine frau erzählt mir etwas von einem anderen Laden, in dem er was holen müsste. Er kommt zurück, aber schüttelt den kopf. Ich merke alles war umsonst. Für die neue nabe kann er keinen passenden freilauf auftreiben. Schließlich montiert er mir wieder den beschädigten body an mein rad.

Längst ist er nicht mehr muffelig. Er hat gefragt, woher ich komme und wohin ich will. Hat auch mitbekommen, dass ich mit seinem sohn über englisch und die schule gesprochen habe, dass ich fotos gemacht habe von ihm, seiner frau und dem laden. Zum schluss rät er mir, von Meteora über Trikala nach Larisssa zu fahren. Denn in beiden orten gäbe es gute radläden, die den passenden freilaufkörper haben könnten.

Jetzt will ich nur noch zahlen. Oh je, welch ein aufstand! Nichts! Nichts will er haben. Er habe ja gar nichts gemacht. Ich zeige auf die uhr und sage, er habe mehr als zwei stunden gearbeitet. Sein sohn übersetzt. Nein, nein! Er bleibt dabei. Nichts darf ich zahlen. Den zwanzig euroschein, den ich hingelegt habe, drückt er mir fast erbost in meine hand zurück. Ich zeige auf den junior. Da wird er weich und nickt zustimmend. Dem junior darf ich etwas geben.

Es ist kurz vor elf als ich winkend verabschiedet werde von der radhändler-familie und zwei freunden des jungen. Achtzig km bis Grevena warten. Bevor ich loslege, muss ich noch was essen. Ich entdecke ein café mit bäckerei. Zwei brötchen und ein großer kaffee sind jetzt genau richtig. Als ich sie an dem runden bistro-tisch vor dem café aufgegessen habe, bringe ich das geschirr rein. Die verkäuferin guckt ganz erstaunt und bedankt sich freundlich. Beim zahlen sagt sie dann, der cafe sei gratis. Etwa weil ich das geschirr rein gestellt habe?

Nach 30 km habe ich nichts mehr zu trinken. Eine tankstelle birgt rettende getränke. Der inhaber sieht, wie ich schwitze und bedauert mich. In deutsch fragt er, wo ich noch hin will. „Grevena, über die autobahn sind das nur gut 30 km“ sagt der mann der vor 20 jahren bei MAN in Dachau gearbeitet hat. „Aber über die landstraße mindestens 50.“ Ich nehme noch eine cola mehr. Und er sagt: „Nimm noch ein wasser.“ Als ich ihm den euro dafür geben will, lehnt er dankend ab. „Lass nur, das ist von mir!“, lächelt er.

Nach weiteren 30 km muss ich auf die nationalstr. 15 abbiegen. An der abzeigung verkauft eine bäuerin von ihrem pritschenwagen eigenes obst. Ich kaufe wie immer zwei nektarinen und eine zitrone, mit deren saft ich das wasser in der trinkflasche säuere. Sie empfiehlt mir pflaumen und kiwi und äpfel. Ich sage, dass sei mir zu schwer am rad. Sie schüttelt den kopf, gibt zwei äpfel, vier blaue Pflaumen, zwei kiwi und zwei birnen in die tüte zu den nektarinen und hängt mir den Beutel an den Lenker. Als ich  das portmonné öffne, drückt sie es mit ihrer Hand wieder zu und winkt ab. Ich brauche wieder nichts zu zahlen.

Sehe ich so schlecht aus auf dieser reise, dass alle denken, mir was schenken zu müssen? Ist es allgemeines mitleid, mit dieser bescheidenen art  des reisens, das radfahrer genießen? Habe ich so bittend drein geschaut?

Noch viel wichtiger die frage an mich: Bin ich so ein pfennigsfuchs, dass mich diese kleinen geschenke so freuen?Oder ist es meine freude an der gastfreundlichen art der menschen, die man als radler so viel öfter zu spüren bekommt als andere reisende?

Egal! Ich habe mich über diese kleinen aufmerksamkeiten sehr gefreut. Sie waren auch nicht umsonst. Meine meinung über die griechen als gastgeber hat sich gebessert.

Uebrigens: Gerade in Larissa schenkte ein Baecker, der mit Freunden auf seinem BMW-Motorrad von hier bis Garmisch gefahren ist,  mir ein Kaese-Schinken-Broetchen und ein Schoko-Croissant, als er sieht, dass ich mich dem Fahrrad  aus Deutschland gekommen bin.