Waiau River

Vom Pazifikort Kaikoura will ich in den Thermalort Hanmer Springs wegen der heißen Quellen und dem reizvollen Bergpanorama, vor dem dieses hübsche Örtchen liegen soll. Über die einsame ‚Inland Road‘ Nr 70 – auf 55 km zwei Farmen –  ein Traum für bergtüchtige Radfahrer – kämpfe ich mich hoch. Bei herrlichem Sonnenschein und schweißtreibenden 30° C.

Doch die Landschaft um mich herum lohnt diese Kletterei. Am Mount Lyford stärke ich mich in einem allein gelegenen Ski-Hotel mit neuen Getränken und einem Käsebrötchen. Auf etwas mehr als 500  m Höhe liegt das Gasthaus. Aber ich hab bis hier schon 1100 hm zurückgelegt. Viermal habe ich die Höhe schon fast erreicht, muss aber wieder in steile Canyons runter, um dann genau so steil auf der anderen Seite wieder etwas höher zu steigen.

In der Abfahrt ist die Plackerei schnell vergessen. Fast 20 km geht’s meist runter, nie steil, nie gefährlich. Im Dörfchen Waiau, an dem hier ganz breit mäandernden Fluss mit dem gleichen Name, zelte ich auf einem kleinen, sehr gepflegten privaten Campingplatz. An einer seichten Stelle im überraschend warmen, klaren Fluss kühle ich mich ab.

Zuhause hatte ich von diesem Fluss nichts gelesen. Zum Ort Hanmer Springs wird er im lonely planet kurz erwähnt mit seiner „gorge“ zum Raften, Jetboat fahren oder Bungee springen.

Und dann finde ich diese abwechslungreiche  Flusslandschaft, die an jeder Biegung ein anderes aufregendes Landschaftsbild bietet, umgeben von etwa 800 m hohen grünen Bergen.

Bis Hanmer Springs sinds von Waiau tags darauf nur noch 40 km. Dort möchte ich einen der ‚hot pools‘ ausprobieren. Nach der schweren gestrigen Etappe wird das meinen Muskeln gut tun.

Doch der Waiau River ist so reizvoll. Mal strömt er schnell tief eingeschnitten durch einer Schlucht. Dann verzweigt er sich im breiten steinigen Bett in mehrere Arme. Mal umschließt er eine Insel, wie am ‚Marble Point.‘ Dann sprudelt er wieder weiß an hellen aufgebrochenen Felsen vorbei, die anscheinend bei hier immmer wieder stattfindenden Erdbewegungen an sein Bett stoßen. Mir reicht der Blick von der Straße nicht. Ich möchte runter an den Fluss, auf den Fluss.

An der Brücke vor Hanmer Springs bietet sich die Chance. Der junge Chris von „Amuri River Rafting“ bietet an, mit mir um 16.00 Uhr im Zweier-Kanu runter zu fahren bis Marble Point. Das dauert etwa eineinhalb Stunden. Mit dem Jetboot würde uns dort jemand abholen und zur Brücke zurück bringen. Ich freu mich darauf.

Vorher schlage ich rasch mein Zelt im nahen Hanmer Springs auf, nehme Badesachen und fahr zurück zum Startplatz. Chris weist mich ein – wie es wohl Vorschrift ist – , zeigt mir alle Sicherheitsvorkehrungen und gibt mir Neoprenanzug, Helm und Rettungweste. Ganz gemütlich legen wir los.

Vorne im Boot brauch ich nur zu paddeln, wenn Chris mir das sagt. An gefährlicheren Stellen meint er, ich solle nichts machen. Es klappt wohl besser, wenn er alleine lenkt. Ohnehin lässt er den Fluss die Arbeit machen. Ich kann die Fahrt ‚relaxed‘ genießen durch die Waiau-Schlucht, die sich mehrmals öffnet und den Blick auf die Berge frei gibt.

Auf dem Rückweg mit dem jetboat ist das etwas anders. ‚Thrillseekers‘ nennt sich der Veranstalter. Der Fahrer – Chris‘ Onkel – hat wohl den Anspruch, seinen Fahrgästen einen Andrenalinstoß zu besorgen.

Auch wenn ich manche seiner Manöver übertrieben finde – dreimal dreht er das  Boot auf der Stelle um 360 ° -, macht mir die schnellle Fahrt schon Spaß. Wie rasant das Boot über die Wasseroberfläche flitzt,  wie nah es an manchen Felsen vorbei jagt und mit welch hohem Tempo es gerade durch enge Passagen hindurch schießt!  Mir wird was geboten, auch wenn ich es gar nicht so haben möchte.

Chris hat nur wenige Fotos gemacht. Er musste ja paddeln. Meine Kamera sollte ich nicht mitnehmen, auf seinen Rat hin.

Den letzten Teil des Jetboattrips hat jemand von der Brücke aus fotografiert. Die Bilder bekomme ich abends per E-mail. Alles inklusive! 

Schnell mein Abendessen im Supermarkt einkaufen, dann unter die Dusche. An der Kasse spricht mich Graham an. Er sei auch Radfahrer und würde sich freuen, wenn ich heute Abend zu ihm käme. Er würde gerne mit mir über Radreisen sprechen. Ich sage ihm gerne zu. Als ich zahle, flüstert die Kassiererin mir voller Bewunderung zu: “ He’s a legend.“ Graham wartet auf seinem Rad draußen und zeigt mir, wo er wohnt. Erst nach halb neun klingele ich bei ihm. Seine nette Frau Juliet kann mit reden. Sie hat manche Touren –  in den USA, in Australien aber auch in Nepal – mit ihm zusammen gemacht. Auf seiner fast dreijährigen Weltumrundung war er allein unterwegs. 49.000 km ist Graham auf dieser Reise in nicht einmal 900 Tagen geradelt. Auf seiner facebook- Seite ‚Grum Goes Global‘ kann man mehr darüber nachlesen, sagt er mir. Zwei Stunden erzählen wir und ‚velosofieren‘ rum. Am nächsten Morgen fahre ich zum Abschied kurz vorbei und bedanke mich für den unterhaltsamen Abend.

Die hot pools von Hanmer Springs hab ich ganz vergessen. Wellness ist sowieso nicht meins.