Waikato River & Sweet Rose

Samstagmorgen drückt mein nervöser Magen wieder. Hab Schiss, dass das neue Hinterrad nicht hält. Insbesondere, weil ich heute einige km auf einem eher für Mountainbikes ausgewiesenen Pfad fahren will. Beim Frühstück treffe ich in der Küche drei kräftige Kiwi-Kerle, die mir von ihren heutigen „Waka“- Kanu-Wettkämpfen auf dem Karapirosee erzählen. Meine Strecke geht heute da vorbei. Drum schau ich mir das bunte Treiben an.

Superschlanke Kanus mit kleinem Beiboot, in denen bis zu 6 kräftige Männer und Frauen um die Wette paddeln. Kniffligstes Manöver ist wohl die Wende, bei der man viele Meter gewinnen oder verlieren kann.

Der Radweg führt mich noch mehrer Kilometer am Ufer des Lake Karapiro vorbei, ein See, der nur ein schmaler gestauter Fluss ist. Nach ca. 7 km wird die Straße hügeliger in Richtung Arapuni. Den ganzen Tag über bleibt die Strecke ein Vergnügen. Wegen der Anstiege mit dem Gepäck ist das Radeln immer noch ‚Arbeit‘, aber eine, die mir Spaß macht.

Immer noch Kühe, verstreut die Milch-Bauernhöfe. Manchmal meine ich, Kuhmilch zu riechen. Immer noch Pappeln in den feuchten Wiesen, große Eichen, Kiefern oder andere hiesige Baumarten auf den Höhen..

Die Hügel kantiger, enger aneinander, auch näher an der Straße. Dazwischen manch herausragender Fels. Kaum Autoverkehr, guter Asphalt, mein Hinterrad wird nicht überstrapaziert.

 

Vor Arapuni erreiche ich den Damm eines Stausees, an dem ein Wasserkraftwerk betrieben wird.1925 hat man, damit man einfacher aus dem Ort zum Kraftwerk gelangen konnten, eine Hängebrücke über den Waikato gebaut.150 m lang, 50 m über dem Fluss, an zwei dicken Stahlseilen hängt sie und schwingt merklich, als ich drüber gehe.

Auf der anderen Seite steige ich für einige km in den Waikato River Trail ein. Nur den mit ‚easy‘ bewerteten Teil trau ich mir mit dem schweren Rad zu.

 

Radtourismus wird in Neuseeland erheblich gefördert und immer populärer. Über 20 gut ausgebaute Trails mit Unterkünften und Shuttle Service werden bereits auf beiden Inseln stark beworben. Doch sind sie vorwiegend fürs Mountainbiking gedacht. Es gibt aber auch „cycle rides“, die auf der Straße oder auf gut zu fahre den „gravel roads“ bleiben, so wie den Kauri Coast und den Twin Coast Cycle, die ich zu großen Teilen in der vorigen Woche gefahren bin. Die Trails aber sind mir zu holprig und zu steil, obwohl echte Mountainbiker über ihren Schwierigkeitsgrad lächeln würden. 

 

 

Dass ich hier mit meinem Lastesel nicht vorgesehen bin, beweist sich an einer Schranke vor einer Straßenüberquerung: Mein Gepäck klemmt so, dass ich die obere Tasche abnehmen muss.

Ab Jones Landing – einer offenen Badestelle im hier ganz gemächlich breiten Waikato – läuft der ‚trail‘ ohnehin auf der Straße weiter. Als er wieder ans Flußufer zurückholpert, bleibe ich dem Asphalt treu bis Tortoroa, meinem Etappenziel. Hier gibt’s drei Hotels und einen miesen Campingplatz. Das günstigste Zimmer kostet 85 $. Erst geh ich mal zum „dinner“ ins Sweet Rose, dessen Speisekarte mir genauso gut gefällt wie die Vintage-Einrichtung.

 

Als ich mir die Entenbrust auf der Holzterrasse im Hof des Restaurants schmecken lasse, habe ich sofort die Idee hier zu schlafen.

Da die Bedienung mir den Wifi-Code gibt, bleibe ich recht lange sitzen, trinke ein zweites Ginger und einen Espresso. Dann will die freundliche Inhaberin abrechnen und schließen. Ich sage ihr, dass ich noch keinen Schlafplatz habe. Sie ist mit mir einer Meinung, dass der Zeltplatz unmöglich sei. Meint dann, es werde ja eine warme Nacht. Ich könne doch irgendwo ‚free camping‘ machen. Ich: Ja, ich hab alles mit. Nur wo? Hier bei ihnen im Hof, das wäre schön. Sie: Ja, warum nicht? Wir Neuseeländer sind gastfreundlich. Ich schließ das hintere Holztor sowieso und lasse Ihnen die Außentoilette auf. Morgen früh um 7.30 kommt wieder jemand fürs Frühstück. Überglücklich bedanke ich mich bei ihr. Unglaublich, dass mein heimlicher Wunsch in Erfüllung geht.