WINTER ADE

Tasucu, 18.03.09

Morgens ist Dogubeyazit weiß. Neuschnee. Im türkischen fernsehen meldungen von überschwemmungen in Istanbul, in Ankara Schnee, an der Schwarzmeer-küste sturm und regen, Heftigen neue schneefälle in ganz Anatolien. In Antalya ist’s am wärmsten mit 10 Grad. In Erzurum, der kältesten stadt der Türkei, müsste ich durch 40 cm schnee radeln. Ein hotelgast erzählt mir, dass in der region am Van-see selbst die hauptverkehrswege nicht geräumt seien. Mit dem rad im märz durchs hochgebirge, das kann nicht gut gehen.

Schnell entschlossen nehme ich den bus nach Osmaniye. Das liegt im südosten nicht weit von der syrischen grenze. Von dort hoffe ich bei frühlingshaftem wetter an der südküste entlang zurück radeln zu können. Für die etwa 1000 km soll der bus etwa 14 stunden brauchen.Zum glück in einem modernen neuen bus mit bequemen liegsitzen. Dennoch wird’s eine extremtour. 

In den ersten stunden mache ich mir echte sorgen, ob wir unfallfrei durchkommen. Über welch waghalsige, verschneite, oft ungeräumte gebirgsstrecken wir kriechen! Landschaftlich ein genuss. Aber   gefährlich. Es geht einfach nicht voran, weil immer wieder lkw stecken bleiben oder vor uns in den graben rutschen. Beim anfahren drehen auch die busräder mehrfach durch.

Irgendwann schlafe ich zum glück. An den verschiedenen haltestationen bekomme ich jeweils mit, wo wir sind und wie lange es voraussichtlich noch dauert. Ein junger belgischer journalist, der wegen eines auftrags für einen bildband über Kurdistan das landzum dritten mal bereist, steigt irgendwann am späten abend zu und in Tatvan wieder aus. Er erzählt mir, dass er zwei tage aus einem verschneiten dorf nicht weiter kam, weil keine taxen oder busse fuhren.

Mit der morgendämmerung wird die strecke angenehmer zu fahren. Auf einer gut ausgebauten vierspurigen straße über Sanhurfa und Gaziantep kommen wir schließlich heil in Osmaniye an. Es ist 6.30 uhr. Gar nicht mal so kalt. Grüne berge, kiefernwälder, blühender ginster. Mediterane frühlingsluft, die immer wärmer wird.

Bei einem türkischem bäcker, desssen schwägerin aus Hamburg gerade in Osmaniye zu besuch ist, kann ich schon früh morgens einen leckeres olivenbrot essen. Familie und  mitarbeiter kamen in den laden, um mich zu begrüßen. Übrigens schaute der freundliche junge in der hellen jacke ganz verwundert in mein gesicht, zeigte auf meine augen und meinte – sich zu den anderen umdrehend- erstaunt: „Mavi“. (türkisch:Blau)

Bin ich froh, dass ich dem winter in den bergen entflohen bin. Gerne wäre ich am Schwarzen Meer entlang geradelt. Aber jetzt bin ich glücklich, dass ich mich für die trockenere und wärmere variante entschieden habe.

Es rollt. Geht ja auch talwärts in das flussdelta um Adana. Ab Ceyhan, wo ich brot mit käse esse und in einer bäckerei ein großes stück Kinefe geschenkt bekomme, kann ich ohne windjacke kilometer machen. Unterwegs treffe ich einen ostdeutschen vater mit sohn Philipp, die von Burgas in Bulgarien nach Jerusalem radeln, wo tochter/schwester studiert. Von Bulgarien deshalb, weil vater vor jahren als student bis dort auf einer ‚ostblocktour geradelt ist und  nun da fortfährt, wo er damals aufghört hat. Das könnte ich mit der seidenstraße ja auch noch mal versuchen. Noch ausgefallener das französische pärchen ‚roues libres‘, die mit ihren veloträumen seit drei jahren auf achse sind. Zwischen Island, Marokko und Syrien. Zwischendurch auch mal kurz zu hause vorbei schauten und nun nach Georgien wollen.

Die letzten 50 km von Adana bis Tarsus kenne ich vom letzten oktober. Auch das hotel Zorbas finde ih sofort wieder. Hotelier und rezeptionist erinnern sich und fragen, wo ich denn überall gewesen sei. 145 km kann ich zur busstrecke addieren, Da bin ich dem selfkant ein ganz schönes stück näher gekommen in den letzten 24 stunden.