ZÄH FLÜSSIG

Montag, 28. Juli am Rhein entlang bis Bad Godesberg. Okay! (siehe: VERSCHOBEN)

Dienstag, 29. Juli am Rhein entlang bis Mainz. Das fiel mir schon schwer. Der Mittelrhein mit all seinen burgen, schlössern und ruinen, mit den oft kitschig heraus geputzen weinorten, mit den vielen traditionellen, oft muffigen „Rheingold“- oder „Rheinblick“-hotels, er ist ja sehenswert für touris aus aller welt. Aber mir geht er irgendwie auf den nerv. Vor allem, wenn ich auf dem Rheinuferweg nicht wirklich voran komme wegen der vielen bummelnden fußgänger, den weit ausholenden inline-skatern oder den kolonne fahrenden radtouristen. 

Mittwoch, 30 Juli: Main-Radweg I: Nachdem dessen präzise beschilderung mich zum werkstor von Böhringer brachte („Thomapyrin kann isch Ihne verkaufe“, meinte die hessische concierge, „aber radweesch kenn isch doe keine!“) beschließe ich schon nach 7 km: Ich radle nicht all die Main-schleifen, sondern durch den Odenwald nach Wertheim. Eine gute wahl! Manchmal bergauf – aber nicht zu schlimm. Manchmal zu viel verkehr auf den bundestraßen.

Einmal zu viel fahrt auf einer schotterstrecke und zu wenig kontrolle über meinen schwer bepackten velotraum:  Sturz in den graben: Ich blute an verschiedenen stellen, aber nix schlimmes – bis auf die schulter. Ein bisschen erschrocken bin ich schon. Drei radlerinnen aus Messel helfen mir wieder aufs rad. Als ich sie zur erinnerung fotografieren will, weiß ich sofort: die kamera hängt -vielleicht- noch am stuhl der letzten pausenterrasse. 15 km zurück? Telefonieren? Die schmerzende schulter ärztlich versorgen lassen? Aber wo? Heute ist mittwoch. Als sie meine verwirrung und ratlosigkeit sehen, meint eine der drei frauen ganz trocken: „Sie kommen so nie nach China.“ Vorher habe ich ihnen nämlich – wirklich ungern und nur kurz  – erzählen müssen, dass ich die seidenstraße radeln will. Das können sie aber verständlicherweise nicht glauben, als sie mich ziemlich hilflos im graben finden. Trotz meiner verwirrung gebe ich den dreien faltblätter und anstecknadeln vom ‚Selfkant‘, die sie überrascht und freudig annehmen.

Übrigens: Die kamera habe ich nach gut einer stunde wieder. Der pakistanische kellner Achmed hat sie gefunden und an der restauranttheke abgegeben. Heute noch selbstverständlich ?

Donnerstag, 31. juli, Main-radweg II: Wegen der verletzten schulter und der angst vor einem schlüsselbeinbruch radele ich zunächst nach Dieburg, weil dort die nächste unfallklinik ist. Sehr zügig werde ich trotz mittagszeit geröngt. Ebenso rasch untersucht mich ein junger arzt. Diagnose: schultergelenks-verletzung vom typ Tossy II. Therapie: ruhig stellen. Dauer: 8 bis 12 tage.

Was soll ich tun ? Ich radele vorsichtig weiter – aber wegen der geringeren erschütterungen nur noch auf asphaltierten straßen richtung Wertheim – schlage aber schon in Miltenberg mein zelt auf. 90 km habe ich trotz krankenhaus und schulter noch geschafft. Die nacht auf der luftmatraze ist mit der verletzung wenig erholsam.

Freitag, 01. august: Tauber-radweg: Liebliches Taubertal – ist der slogan der region. Der ist nicht einmal unzutreffend. Aber da ich in der hauptferienzeit mit schwerem gepäck auf diesem radweg nur unwesentlich schneller unterwegs bin als die vielen entweder bedächtigen, übervorsichtigen oder völlig arglosen, verträumten rad-urlauber, komme ich nicht ohne stress voran. Also wähle ich auch hier zumindest größtenteils die mir angenehmere alternative: land- und bundestraßen. Bis kurz vor Rothenburg o.d. Tauber. Diesmal stopfe ich mein kissen dicker auf und schlafe besser.

Samstag, 02. august: Altmyhl-radweg: heller weißlicher kalk-schotter-weg im regen. Nach einem km sehe ich aus wie ein streuselkuchen mit grobem staubzucker. Der belag ist stellenweise rutschig. Nichts für mich. Wieder rauf auf die autostraße: Mal heißt sie „Burgen-“ mal „Siegfriedstraße“.
Mir soll’s recht sein, wenn nur nicht allzu viel verkehr herrscht und die anstiege nicht zu steil und zu zahlreich sind. Bis Roth läuft es prima. Dann entdecke ich den radweg entlang des Main-Donau-kanals: schotter zwar, manchmal sogar sandig, aber breit und ohne steigungen ausgebaut und vor allem kaum radler. Also los! Bis zur granit-skulptur an der europäischen wasserscheide zwischen Rhein und Donau halte ich es aus. Dann zieht es mich wieder auf den asphalt. Der rollt einfach besser. Mit Berching finde ich ein wirklich schmuckes örtchen mit bunten häusern in allen pastelltönen. Und mit der pension Monika eine tolle unterkunft.

Sonntag, 03. august: Altmyhl-radweg II: Treu und brav versuche ich mogens wieder, mich einzuordnen in das heer der sonntagsradler an der Altmyhl. Aber wieder die gleichen erfahrungen: Der radweg ist länger, weil er all die flussschleifen mitmacht und oft noch die seite wechselt. Er ist für die vielen radler stellenweise zu eng und zu holprig. Viele radler behindern andere durch unvorhersehbares bremsen oder absteigen. An einem der altarme fotografiere ich ein paar wasservögel. Dann wechsele ich endgültig auf die straße. Rasch bin ich an der Donau in Kelheim. Den  Donau-radweg heb ich mir für später auf. Über die B 16 strampele ich zügig nach Regensburg. Drei stunden bleibe ich in der bischofs- inzwischen sogar papststadt.
Sie hat wirklich viel zu bieten – nicht nur dom und steinerne brücke. Wegen meines auffallend schweren gepäcks sprechen mich mehrmals passanten an. Alle bedauern mich. Dabei liege ich bei strahlendem sonnenschein mit meinen dampfenden füßen im springbrunnen vor dem theater und trinke einen liter radler.

Der Donau-radweg am nordufer ist asphaltiert und wenig befahren – zumindest jetzt am sonntagabend. Bis Oberzeitldorn – ja – ein dorf mit dem namen muss man kennen – drücke ich noch durch. Dort darf ich im garten der radler-pension von familie Bauer mein zelt aufschlagen, bekomme noch eine frische forelle vom feuerwehrfestgrill mit kartoffelsalat und eine riesenbrezen zum abendrot. Dazu ‚a maß und noch a maß‘.

Montag, 04. 08. 08 Donau-radweg I : Ein blick auf die karte reicht, um zu sehen: bis Straubing ist der Donau-radweg die sinnvollste strecke. Möchte man von dort aber möglichst zügig nach Passau, bietet sich die B 8 an: schnurgerade, keine steigungen, aber auch kein radweg und genügend lastwagenverkehr. Aber mit den truckern verstehe ich mich recht gut. Sie respektieren meine breite ladung und ich gehe bei zeiten auf seite, wenn ich kann. In Osterhofen besuche ich zum ersten mal in meinem leben ein internet-café. Eine enttäuschung. Meine mails kann ich zwar abrufen und auch neue schreiben. Aber ich kann meine fotos und texte, die ich extra auf dem stick mit habe, nicht hochladen, weil man nur die tastatur und den bildschirm zur verfügung hat und keine usb-anschlüsse benutzen kann.

Durch die altstadt der drei-flüsse-stadt ziehe ich fast drei stunden umher und fotografiere. Zur JH geht es mir zu steil (22%) bergan. Das Donau-nordufer ist wieder meine strecke. Hinter Erlau finde ich einen platz zum zelten und einen guten gasthof mit einem kalten schinkenbraten zum abendbrot.

Dienstag, 05. 08. 08: Donau-radweg II:  Nach wenigen km erreiche ich die österreichische grenze. Und auch schon die erste fähre zum südufer. An der „Schlögener Schlinge“  biege ich vom radweg ab und fahre über die  B 130 nach Aschach. Wegen der steigung zwar anstrengend, aber kürzer und schneller, wie der ausgang meines privaten wettrennens mit zwei jungen mountain-bikern beweist:  Zunächst überholen sie mich kurz vor der schlinge. Sie sind einfach schneller als ich, folgen aber dem radweg. In Aschach habe ich schon im Spar eingekauft und meine brote gegessen, als die beiden auch dort anhalten, um proviant zu kaufen.

Jetzt wieder viele km entlang der traegen Donau. Warum herrscht eigentlich kein schiffsverkehr auf diesem fluss? Wo bleiben die ausflugsdampfer? Wo die tanz- oder restaurant-boote? Nichts von alle dem sehe ich. Nur der frachter ‚Babette‘ aus Regensburg verfolgt mich. Ich bin zwar etwas schneller unterwegs als er. Dafür hält er nie an, um zu essen oder zu pinkeln. So kämpft er sich immer wieder heran und bleibt bis Linz an meiner seite.

Hauptplatz in Linz – da quirlt es: studenten, touristen, geschäftsleute. Internationale und provinzielle tagesgäste zum shoppen, sight-seeing oder café-besuch.
Ich versuche vergeblich während einer längeren pause per w-lan-hotspot ins internet zu kommen. Keine ahnung, wieso ich ständig nach dem ersten klick rausfliege, obwohl ich die verbindung immer wieder aufbauen kann.
Mauthausen müsste ich eigentlich besichtigen. Aber ich möchte heute bei Markus ankommen. Der Donau-radweg macht wieder zu weite schleifen. Um schneller voran zu kommen, suche ich die alte B 1, verfranse mich aber total in der nähe der Voest-werke. Nach langem suchen komme ich endlich auf die strecke richtung Enns und Ennsdorf. Dann folgen völlig unerwartet die ‚Strenger Berge‘.
Wäre ich doch in Au wieder auf den radweg am fluss abgebogen! Jetzt muss ich viele giftige anstiege nehmen, ehe ich ziemlich geschafft in Wallsee wieder an die Donau komme. Hier gibt’s am wassersport zentrum einen kleinen campingplatz, der mir gefällt. Aber ich rufe doch mal bei Markus an, um zu fragen, ob er mich heute noch erwartet. Als er hört, dass ich schon so nah bin, bittet er mich, weiter zu fahren. Er kommt mir entgegen mit dem rad und bringt mich rasch zu sich nach Hause. Nach 9 tagen und 1050 km bin ich am ersten zwischenziel: bei Markus in Ardagger.